Am 31. März 2019 wurde hier unser erster Blog-Artikel veröffentlicht. „Das (noch) nie erschienene Meisterwerk“ war der Titel des Artikels und bot einen Ausblick auf das, was wir jetzt 2 Jahre 5 Monate und 15 Tage später endlich im Kino sehen dürfen: Denis Villeneuves Version von Dune.
Das letzte Mal, dass ich mich vielleicht dermaßen auf einen Film gefreut habe, dürfte Star Wars Episode 7 gewesen sein. Ähnlich wie damals zum Kinostart von Star Wars, saß ich nun auch bei Dune die ersten drei Minuten des Films mit Tränen in den Augen da und brauchte einen Augenblick, ehe mein Verstand begriff: Ich sehe jetzt Dune. Doch fangen wir mal ganz von vorne an...
Teil 1: Was ist Dune?
„Dune“ oder auf Deutsch „Der Wüstenplanet“ ist ein 1965 erschienener Science-Fiction-Roman von Frank Herbert. Doch natürlich hat die aktuelle Verfilmung keine 56 Jahre gebraucht, um produziert zu werden. Schon zuvor gab es Versuche dieses große Werk auf die Leinwand zu bringen. Doch sei es die nie vollendete Verfilmung von Jodorowsky, ein in nahezu jeder Hinsicht grauenvoller Film von David Lynch oder eine misslungene Fernsehserie aus den frühen 2000ern. Nie sollte es wirklich gelingen dem ursprünglichen Roman gerecht zu werden. Für eine detailliertere Geschichte zur bisherigen Vergangenheit möchte ich aber auf meinen Artikel von vor zwei Jahren verweisen.
Woran liegt aber das bisherige Scheitern der Filmumsetzungen? Einer der Gründe dürfte wohl sein, dass Frank Herbert in seinem Roman eine unfassbar komplexe Welt geschaffen hat. Am ehesten lässt sich die Herausforderung, vor der bisherige Filmemacher standen, damit vergleichen, ein „Herr der Ringe“ oder „Game of Thrones“ zu visualisieren. Bei „Game of Thrones“ bot das Serienformat viel Zeit, die geschaffene Welt Stück für Stück zu etablieren, ohne den Zuschauer zu sehr zu überfordern. Hingegen sind die grundlegenden Elemente bei „Herr der Ringe“ für die meisten Zuschauer relativ intuitiv verständlich gewesen: mit Zauberern, Orks und Zwergen können die meisten etwas anfangen und auch die liebenswerten Hobbits sind relativ schnell ohne viel Erklärung eingeführt. Bei Dune ist die Sache schwieriger. Begriffe wie „Bene Gesserit“, „Mentaten“, „Spice“, „Raumfahrergilde“ oder „Fremen“ stoßen bei den meisten auf große Fragezeichen. Aber auch das Zusammenspiel und die Beziehungen zwischen diesen ganzen Fraktionen und dem galaktischen Imperium oder dem sogenannten Landsraad verlangen allesamt Erklärungen. Was im Roman beschrieben und zum Teil in einem Lexikon im Anhang des Buches erklärt wird, lässt sich in einem Film nicht so einfach erzählen (auch wenn David Lynch ziemlich genau das versucht hat). Ob Denis Villeneuve die große Herausforderung geglückt ist, die Welt von Dune einzuführen, möchte ich gleich erläutern. Doch zunächst soll etwas Licht ins Dunkle gebracht werden, worum es in Dune denn überhaupt geht.
Erzählt wird die Geschichte von Paul Atreides (Timothée Chalamet), dem Sohn des Herzogs Leto Atreides (Oscar Isaac), dessen Haus vom galaktischen Imperator berufen wird, als Verwalter auf dem Wüstenplanet Arrakis zu agieren. Arrakis, von den einheimischen Bewohnern „Dune“ genannt, ist der einzige Planet im Universum, auf dem „Spice“ zu finden ist. Dieses Spice ist eine halluzinogene Droge, die zugleich die wichtigste Ressource des Imperiums darstellt. Das Spice ermöglicht nämlich den Navigatoren der sogenannten Raumfahrergilde mittels der Krümmung des Raumes zwischen den Galaxien zu reisen. Ohne diese Ressource würde es also faktisch gar kein Imperium geben, da Reisen zwischen den Planeten quasi unmöglich wäre. Mit der Verwaltung von Arrakis geht also eine unglaubliche Macht einher, die nicht ohne Grund erteilt wird und so beginnt das Spiel aus Intrigen und Verrat, bei dem besonders die bisherigen Verwalter von Arrakis – die Harkonnens – sich nur ungern von ihrer Position verdrängen lassen…
Um nicht zu viel vorwegzunehmen, soll es bei dieser kurzen Zusammenfassung der Prämisse bleiben. Doch wie bereits erwähnt spielen noch viel mehr Fraktionen und Charaktere eine Rolle, welche ich vorerst unerwähnt lasse. Doch kommen wir nun endlich dazu, wie all das von Denis Villeneuve (Arrival, Blade Runner 2049), einem der vielversprechendsten Regisseure unserer Zeit, umgesetzt wurde.
Teil 2: Das Kinoerlebnis des Jahres
Ich habe bereits versucht den Umfang und die Komplexität des 800 Seiten dicken Romans zu verdeutlichen, daher ist es nur zu verständlich, dass Villeneuve von Anfang an plante, dieses Werk in zwei Filme aufzuteilen. Das ist vielleicht das wichtigste, was man wissen sollte, bevor man in den aktuellen Film hineinstolpert. Es ist nur die erste Hälfte einer Geschichte. Das bietet dem Film viel mehr Möglichkeiten als beispielsweise bei David Lynchs Verfilmung, wo die gesamte Handlung in ca. zwei Stunden Filmmaterial gepresst wurde. Doch ist diese Herangehensweise ein zweischneidiges Schwert und könnte auch die größte Schwäche des Films darstellen. Ohne zu viel vorwegzunehmen, kann verraten werden, dass sich das Ende durchaus unvollständig anfühlt und doch ist es vielleicht der beste Schnitt, den man im Roman hätte wählen können, da eine entscheidende Charakterentwicklung von unserem Protagonisten Paul abgeschlossen wurde. Aber wenn ich da ganz ehrlich bin: Ich wäre gerne im Kino sitzengeblieben und hätte die fehlenden 2,5 Stunden auch noch geschaut. Denn Denis Villeneuves Dune ist genau das, worauf ich gewartet hatte.
Doch bevor ich meine Lobeshymne beginne, möchte ich noch einmal auf das Thema Exposition und Einführung in die Welt zurückkehren: Denn auch hier kann man Dune vorwerfen zu Beginn des Films zu viel und zu aufgedrückt zu erklären (beispielsweise, wenn sich Paul kurze Lehrfilme über Arrakis anschaut). Nichtsdestotrotz gelingt es dem Film überwiegend diese Erklärungen relativ organisch in die Geschichte einzubinden und an den richtigen Stellen Aspekte wegzulassen, welche im Buch detaillierter beschrieben wurden. So gibt es beispielsweise in der Welt von Dune keine Computer, was im Film nicht näher erläutert wird.
„Thou shalt not make a machine in the likeness of a human mind.“
Dieser Leitsatz wurde nach einem Krieg gegen Robotern – dem sogenannten Butlerian Jihad - niedergeschrieben, damit ein solcher Krieg nie wieder zustande käme. Dieser Krieg wird im Film jedoch nie erwähnt. So wurde an den richtigen Stellen gekürzt, um die Zuschauer:innen zum einen nicht zu überfordern, aber zum anderen auch einige Mysterien aufrecht zu erhalten, welche die Erkundung der Welt interessanter machen.
Und wie interessant das ist! Dazu tragen vor allem die atemberaubenden Bilder bei, welche sich anfühlen als hätte Kameramann Greig Fraser die Kamera in meinen Kopf gehalten, während ich das Buch lese. Der Film sieht wunderschön aus und nimmt sich genug Zeit die fantastischen Orte zu etablieren. Dazu trägt aber nicht nur die Kamera bei, sondern auch das authentische Kostüm- und Set-Design. Die heimlichen Stars des Films sind aber selbstverständlich die gewaltigen Sandwürmer, deren Design allein über ein Jahr Entwicklung benötigt hat. Das muss auf der größtmöglichen Leinwand erlebt werden!
Aber nicht nur die Bilder brauchen Platz, sondern auch das Sounddesign und die Musik brauchen eine bestmögliche Soundanlage. Allem voran sei natürlich der Soundtrack von Hans Zimmer erwähnt, der zum atmosphärischen Sog des Films aktiv beiträgt. Die Musik schwankt zwischen ruhigen Klängen, welche Zeit lassen, die Bilder auf sich wirken zu lassen und dröhnenden Lauten, welche die Zuschauer:innen in die Kinosessel drücken. Dabei ist es eine einzigartige Mischung, welche nicht nur am Computer generierte Science-Fiction-Klänge verwendet, sondern auch viel Gesang, Geflüster und zum Teil sogar Dudelsäcke nutzt. Jep, Dudelsäcke waren noch nie so episch wie in diesem Film! Es werden übrigens gleich drei Alben zu Dune veröffentlich. Neben dem offiziellen Soundtrack gibt es jetzt schon das sehr empfehlenswerte „Dune Sketchbook“ zu hören und auch zum Begleitbuch „The Art and Soul of Dune“ soll es noch einen extra Soundtrack von Hans Zimmer geben, der am 22.10.2021 erscheint. Mein Lieblingsstück ist im übrigen „Song of the Sisters“, was das Thema der mysteriösen Schwesternschaft Bene Gesserit beinhaltet.
Doch bleibt Dune nicht einfach nur ein bildgewaltiges Blockbuster-Kino, sondern immer auch sehr nah an seinen Charakteren und Schauspielern. Diese machen allesamt einen überragenden Job, wobei ich besonders Rebecca Ferguson, welche die Mutter von Paul Atreides spielt, hervorheben möchte. Am beeindruckendsten aber finde ich, dass ich trotz eines sehr bekannten Casts (Timothée Chalamet, Jason Momoa, Stellan Skarsgård, Zendaya,...) im Film stets die Charaktere aus dem Buch sehe und nie die großen Schauspielernamen, die dahinter stehen.
Denis Villeneuves Dune ist sowohl langsam und ruhig, als auch actiongeladen und bewegend. Er ist sowohl philosophisch, als auch unterhaltsam und mitreißend. Brandaktuell ist auch die Thematik des 56 Jahre alten Romans, welche sich auf die Ausbeutung eines Planeten zugunsten der Wirtschaft und Mobilität bezieht. Hoffen wir das Frank Herberts pessimistische Klima-Vorhersagen so vielleicht nicht ganz in unserer Welt ankommen.
Ist Dune also ein perfekter Film? Das Meisterwerk, das ich vor zwei Jahren in meinem Blog-Artikel versprochen habe? Vermutlich nicht. Oder besser: noch nicht. Denn Dune ist für sich allein genommen noch unvollständig und somit bleibt abzuwarten, ob Teil 2 genau dieses Niveau halten kann. Außerdem kann man dem Film sicherlich einige Vorwürfe machen, wie zum Beispiel die Exposition zu Beginn des Films oder aber das einige besondere Szenen aus dem Roman fehlen. Auch ein paar von Humor durchzogene Stellen am Anfang des Films dürften nicht jedermanns Geschmack treffen. Aber Dune ist meiner Meinung nach die bestmögliche Umsetzung der Romanvorlage im Filmformat. Es ist der Film auf den ich gewartet habe, um immer wieder für einen Abend in diese beeindruckende Welt eintauchen zu können. Für mich ist Dune also ein perfekter Film, der im Kino gesehen werden muss und jene Lücke füllt, die Peter Jacksons "Herr der Ringe" vor fast 20 Jahren im Kino gelassen hat!
Teil 3: Was nun?
Wie schon erwähnt lässt einen der Film etwas fragend zurück. Aktuell ist zwar das Drehbuch des zweiten Films bereits fertiggestellt, aber der Drehstart wartet noch auf grünes Licht von der Produktionsfirma Legendary. Dies wird wohl von dem Erfolg des ersten Teils abhängig sein, aber zumindest in allen Regionen, wo der Film bereits läuft, scheint das gegeben. In Deutschland ist es sogar der zweiterfolgreichste Kinostart seit der Pandemie! Auf den Erfolg in den USA bleibt zu warten, wenn er dort am 22.10.2021 zeitgleich auf dem Streamingdienst HBO Max und in den Kinos anläuft. Da nach Aussage von Legendary aber auch gute Aufrufzahlen auf HBO Max ausreichen, darf man zuversichtlich bleiben. Denis Villeneuve meldete in der Zwischenzeit schon sein Interesse an einer Trilogie. Der dritte Film soll dann die Geschichte des zweiten Romans von Frank Herbert erzählen, was im Übrigen sehr gut die Geschichte des Protagonisten Paul Atreides abschließen würde. Wer nicht auf den zweiten Teil von Dune warten möchte, dem sei ans Herz gelegt, den Roman zu lesen und dringend davon abgeraten, seine ersten Erfahrungen mit der zweiten Hälfte durch eine der anderen Dune Verfilmungen zu trüben. Wenn einem der Roman gefällt, gibt es übrigens noch fünf weitere Teile der Romanreihe von Frank Herbert und zahlreiche (mal mehr, mal weniger gute) Prequels und Spin-Offs geschrieben von seinem Sohn Brian Herbert und dem Science-Fiction Autor Kevin J. Anderson. Wer also noch richtig in die Dune-Welt einsteigen möchte, kann sich hier die Wartezeit verkürzen.
Ich könnte noch sehr viel mehr über Dune schreiben, doch muss ich allmählich einen Schluss für diesen Artikel finden. Aber nun möchte ich mich noch einmal bei Denis Villeneuve bedanken, und zwar nicht nur für diesen grandiosen Film, in den ich mich verliebt habe, sondern für das Öffnen eines Fensters, das die Welt von Dune in die Öffentlichkeit bringt, das neue Dune Fans hervorlockt und die Romane wieder auf die Regale der Buchhandlungen führt.