"Die Straßen sind Rinnsteine. Und diese Rinnsteine sind voller Blut. Und wenn die Gullies schließlich verstopfen, ersäuft all das Ungeziefer. Der dreckige Morast aus Sex und Mord wird ihnen bis zur Hüfte gehen. Und all die Huren und Politiker werden aufblicken und rufen: Rette uns!
Und ich werde flüstern – Nein." [1]
Man nehme ein bisschen Dystopie, eine Prise Wahnsinn und ein paar Superhelden, rühre alles gut durch und lasse es im Ofen so lange Backen, bis es an vielen Stellen eigentlich schon drüber ist. Das Resultat: Watchmen. Ich habe schon mehrere Dystopien gesehen und – heutzutage nahezu unvermeidbar – viele Superheldenfilme. Und dennoch ist Watchmen für mich etwas sehr Besonderes.
Mal ganz, ganz kurz zur Geschichte: in einer Welt, in der Superhelden real, doch nicht unbedingt beliebt und daher größtenteils im Ruhestand sind, wird einer eben jener ermordet. Mit dem Mord beginnt die Aufdeckung einer Verschwörung und die Helden müssen sich der Frage stellen: was braucht die Menschheit für den Frieden?
Der Film baut dabei eine Welt, die unserer nicht unähnlich ist und uns dennoch sehr düster und unwirklich präsentiert wird. Vom Look her ist der Film die meiste Zeit über recht dunkel und ruhig. Die Stadt, welche der Haupthandlungsort des Filmes ist, ähnelt dem typischen Bild einer amerikanischen Großstadt und die Handlung ist in einer fiktionalen, nahen Vergangenheit angesiedelt. Zum Sinnbild des generellen Tones des Films wird die Weltuntergangs-Uhr, welche die Nähe der Menschheit zur Selbstauslöschung darstellt und im Laufe des Filmes immer weiter nach vorn
gestellt wird.
Die drohende Selbstzerstörung und der Mord der geschehen ist sind es letztendlich, die die Motivation der Protagonisten darstellen. Doch trotz der edlen Motive lässt mich der Film von Anfang bis Ende an seinen Charakteren zweifeln. Denn Watchmen baut, wenn man die Charaktere überhaupt als solche bezeichnen kann, auf den etwas anderen Superhelden. Moralische Unangreifbarkeit und gesellschaftliche Vorbilder sucht man hier vergeblich. Stattdessen entsteht ein Bild, welches uns selbst recht nahe zu sein scheint. Dass er wirklich Superkräfte besitzt ist nur bei einem Charakter von vornherein klar, während die anderen zwar stark aber nicht übermenschlich wirken. Sie
handeln naiv, machen Fehler oder nutzen ihre Macht aus – genau wie wir.
Der Comedian, als Vergewaltiger und Mörder, ist dabei nur der offensichtlich grausamste „Held“. Denn auch die anderen zeichnen sich durch eine große Brutalität und Gnadenlosigkeit aus oder sehen tatenlos zu, wie der Comedian seine Verbrechen begeht. Und dennoch wachsen einem Charaktere wie Night Owl und Rohrschach mit ihrem Wunsch Gutes zu tun ans Herz, verpackt in einen mal herben, mal schamhaften Humor.
Und so stellt sich mir als Zuschauer von Beginn an die Frage, ob Superhelden denn nun eigentlich cool sind oder eher gefährlich. Eine Frage deren Antwort der Film mal in die eine, dann wieder in die andere Richtung lenkt, indem er zeigt, wie die Personen zu dem geworden sind, was sie sind und dabei vor allem auch ihre Verletzlichkeit nicht auslässt. Auf eine endgültige Antwort wartet man allerdings vergeblich.
Zurückgelassen wird man von dem Film jedoch mit einer anderen Antwort. Denn bei all dem Wirrwarr, das die Handlung durchlebt, kristallisiert sich am Ende die Frage: was braucht die Menschheit für den Frieden? Dafür gibt der Film einem eine Antwortmöglichkeit, nämlich dass wir bereit sind für den Frieden untereinander, wenn wir einen gemeinsamen Feind haben, welchen wir nötigenfalls auch selbst erschaffen müssen. Auch wenn es uns einen Teil unserer Menschlichkeit kostet.
Ein letzter Punkt, auf den ich nun noch eingehen möchte, ist die Musik. Denn erst diese gibt dem Film den letzten Schliff zum Skurrilen. Mal irgendwie passend wie „Sound of Silence“ zu einer Beerdigung, dann wieder völlig drüber wie eine Sexszene zu „Halleluja“. Und natürlich sei an dieser Stelle für die Freunde der deutschen Popmusik Nenas „99 Luftballons“ nicht vergessen.
Was also ist nun Watchmen? Vielleicht ist er nicht der beste Film für einen locker-lustigen Abend, aber das will er auch gar nicht sein. Denn Watchmen präsentiert sich als brutal, als provokativ und er lässt dich an vielen Stellen allein, doch all das braucht der Film, um das zu werden was er ist: eine starke Dystopie, die nie starr eine Richtung einschlägt und sich auch einmal mit der Kehrseite von Macht beschäftigt.