Die Oscars sind vorüber, das Kino im Winterschlaf (nur bis April!) und unser Team weitgehend vom Prüfungsstress erfasst. Doch nichts hindert uns, Euch auch dieses Mal mit exzellenten Tipps zu versorgen! Unten findet ihr dann Kurzfilm-Tipps von Philipp, Streaming-Empfehlungen von Leo, ein paar Trailer von Lukas und einen Film-Tipp von Martin


Box first:

Tja, der Projektionsraum ist fest versiegelt und wir bluten und schwitzen und tränen fürs neue Programm. Aber man kann ja auch mal, Hö-Hö-Hö, "Out of the Box" denken, denn wir haben hier in Dresden ja auch ein paar andere Programmkinos.

Montag, 17.02. (20:30) und Mittwoch, 19.02. (19:30): "Parasite", der diesjährige Oscarabräumer und Kritikerliebling in einer dem Film richtig gut-tuenden Schwarz-Weiß Fassung, wie sie der Regisseur für den Film wohl ursprünglich auch angedacht hatte. Läuft gerade in der Schauburg, allerdings auf Deutsch. Oliver und ich haben schon mal zugeschlagen und sind ganz dem Film angemessen völlig durchnässt 22:45 dort oben im neuen, schicken Arnulf-Huyras-Saal (das ist übrigens kein Regisseur, sondern der erste Betreiber der Schauburg in den 20ern, um hier mal mit ein bisschen Stadtführerwissen zu prahlen) mit bester Filmkunst beglückt worden.

Freitag, 21.02. und Sonnabend, 22.02. (20:00): "Abschied von Matjora" von Elem Klimov. Das Museumskino Ernemann VII B zeigt gerade eine ganze Retrospektive zum Regisseur. Weiter unten gibt's dann noch ein paar weitergehende Tipps zu ihm.

Sonntag, 23.02. (17:00): "Der Zauberer von Oz" im Kino in der Fabrik. Victor Flemings Kinderfilmhit von 1939 läuft gerade sonntags im Rahmen von Frank Apels Filmklassiker-Reihe. Übrigens mit Judy Garland in der Hauptrolle, die Renée Zellweger im eher mäßig guten Film Judy verkörpert, für ihre Darstellung aber verdient einen Oscar gewonnen hat.


Link later:

KiK it Short – Kurzfilmtipps von Philipp

Was war das für eine Oscarnacht – Parasite von Bong Joon-Ho räumt gleichmal vier Oscars ab, darunter auch für den Besten Film, Roger Deakins wird für seine wunderbare Kinematographie in 1917 geehrt, und, und, und. Doch insgeheim stimmte mich eine Kategorie in noch größere Aufregung, nämlich die des animierten Kurzfilms. Einer der nominierten Kandidaten hat mich ganz besonders in seinen Bann gezogen. Der französische Regisseur Bruno Collet erzählt mit seinem zwölfminütigen Kurzfilm Mémorable die einprägsame Geschichte eines Mannes, der an Alzheimer erkrankt ist. Durch die liebevolle Stop-Motion Technik gepaart mit 3D Effekten nimmt der Zuschauende den Blickwinkel des Erkrankten ein und erlebt so die verschiedenen Stadien des Vergessens hautnah mit. Nicht nur die äußerliche Veränderung des Protagonisten wird deutlich, sondern auch die Veränderung seiner Umwelt. Gegenstände zerfließen, wie Farbe im Glanz der Zeit oder Gesichter und Körper zeichnen sich als abstrakt, verschrobene, teils unvollständige Figuren ab. Untermalt wird das ganze durch den schwer emotionalen Soundtrack von Nicolas Martin, welcher mir Tränen in die Augen gezaubert hat. Genau wie der Protagonist des Kurzfilms, welcher mithilfe von Malerei sein (un)sichtbares Umfeld auszudrücken versucht, haben der Schauspieler Peter Falk (bekannt aus Columbo) oder der Künstler William Utermohlen den französischen Regisseur zu diesem Kurzfilm inspiriert. Neben etlichen Auszeichnungen, wäre nun ein Oscar die Krönung des Ganzen und meiner Meinung zu Recht verdient gewesen. Leider hat das die Academy nicht so gesehen und so gewann der liebevoll gezeichnete Kurzfilm Hair Love von Matthew A. Cherry.

Link zum Kurzfilm auf Vimeo

Um die lange Wartezeit auf das nächste What´s in the Box zu überbrücken habe ich hier noch eine kleine Auswahl an Kurzfilmen zusammengestellt, welche thematisch ebenfalls das Vergessen zur Grundlage haben. Zum einen Lost Property von Åsa Lucander¸ Late Afternoon von Louise Bagnall (2017 für den Oscar nominiert) und zum anderen Riviera von Jonas Schloesing.

Leos Streamingtipp:

©Yunus Roy Imer/Port au Prince Pictures

Erneut darf ich über Zuwachs beim Streaming-Riesen Netflix berichten. Noch im Januar flackerte Nora Fingscheidts hochgelobtes Drama einige letzte Male über die Leinwände der deutschen Kinosäle und schon gibt es Neuigkeiten, dass Systemsprenger ab Donnerstag, dem 20.Februar 2020 sowohl im Handel auf DVD und Blu-ray erscheint, als auch im gleichen Atemzug auf Netflix verfügbar sein wird. Der letztjährige Berlinale-Hit über die vom Jugendamt ernannte Systemsprengerin Benni, welche von Pflegefamilie zu Pflegefamilie wandern muss, nirgendwo ihren Platz findet und einfach nur Geborgenheit sucht, sollte da definitiv bei jedem zur Watchlist ergänzt werden, besonders wenn man ihn wie ich im Kino leider verpasst hat.

Lukas' Trailerkasten:

Trailer sind eine unterschätzte Kunstform. Ich weiß, keine Trailer zu schauen, hat auch seine Vorzüge, vor allem, wenn diese wichtige Handlungsentwicklungen vorweg nehmen oder einfach Bilder aus dem gesamten Film enthalten, sodass man im Kinosaal nur auf das nächste Set-Piece wartet, das man bereits kennt. Auf der anderen Seite ist jedoch ein kompetent konzipierter Trailer nicht nur ein wertvolles Werbewerkzeug, um Hype zu generieren, oder eine Möglichkeit, sich einen ersten Eindruck zum Stil des jeweiligen Filmes zu verschaffen, sondern kann auch ein eigenständiges Kunstwerk sein. Sozusagen ein Remix des beworbenen Films in Form eines Ultrakurzfilmes.‌‌ Letzte Woche erschienen Trailer zu zwei meiner meisterwarteten Filme dieses Jahres: The French Dispatch und Green Knight.

Bei ersterem handelt es sich um die neueste filmische Wundertüte von Wes Anderson, dem amerikanischen Independent-Großmeister, gebürtiger Texaner, aber im Geiste Europäer der 60er-Jahre, siebenfach Oscar-nominiert (davon dreimal für sein Magnum Opus The Grand Budapest Hotel). Auch in The French Dispatch finden sich wieder typische Anderson-ismen: Symmetrische Bildkompositionen, detailverliebtes, einzigartiges Set-Design, Pastell-Farbpaletten, französischsprachige Pop-Musik aus den 60ern und ein geradezu absurd hochkarätiger Cast, in dem sich nicht nur Andersons übliche Verdächtige (Murray, Wilson, Brody, Swinton, Dafoe, Ronan, Norton, Seydoux, Schreiber), sondern auch renommierte Neuzugänge finden (Chalamet, Moss, Waltz, del Toro, Wright). Darüber zeigt der Trailer allerdings auch einiges, was wir von Wes Anderson nicht gewohnt sind: Kamerafahrten? Handkamera?? Schwarzweiß??? Und da sage jemand, Anderson-Filme sähen alle gleich aus 😉‌‌
Ich liebe den Stil von Wes Anderson und freue mich (nachdem mir Isle of Dogs weniger zugesagt hatte) auf einen neuen Realfilm von ihm, auch wenn ich derzeit noch skeptisch bin, ob der Struktur des Filmes. Anhand des Trailers sieht es so aus, als ob es sich bei The French Dispatch um einen Episodenfilm handelt, mit den einzelnen Zeitungsartikeln als Aufhänger der Episoden, und ich bin kein Freund von Episodenfilmen. Mal abwarten. Bei einem voraussichtlichen Kinostart im Sommer und dem Frankreich-Setting, ist es nahezu sicher, dass der Film seine Premiere auf dem diesjährigen Cannes-Filmfestival feiern wird.

Ich hatte in meiner Kurzkritik zu Ad Astra ja im Fazit gefordert, dass sich ein Arthaus-Regisseur mal an das Fantasy-Genre wagt. Und nun kommt Green Knight: David Lowerys düstere Verarbeitung des Stoffes um Sir Gawain und den Grünen Ritter, einer mittelalterlichen Sage aus dem Artus-Dunstkreis. Lowery hat mit A Ghost Story und The Old Man and the Gun bereits eindrücklich gezeigt, dass er (auch wenn beide Filme etwas zäh und erzählerisch weniger bemerkenswert sind) ein Gespür für Atmosphäre und einen eigenständigen Stil hat. Nun kommt also seine Version altenglischer Mythologie, König Artus à la Midsommar, düster und stilvoll, mit einem hochkarätigen, vorrangig britischen Cast: Dev Patel als Sir Gawain, Alicia Vikander, Joel Edgerton, Sean Harris, Kate Dickie, Ralph Ineson (welche beide zuvor in The Witch gemeinsam gespielt hatten) und Barry Keoghan. Ich bin wirklich gespannt auf den Film. Der Trailer verspricht zumindest schon mal kreative, stimmungsvolle Mittelalter-Bilder und ein atmosphärisches, bedrückendes Sound-Design. Die Musik stammt übrigens wieder Lowerys Stammkomponist Daniel Hart, dessen Score zu The Old Man and The Gun meiner Meinung nach zu den besten des Jahres 2018 gehörte. The Green Knight erscheint Ende Mai in den US-Kinos, hierzulande vermutlich erst im Herbst (wenn man von A24s typischen Veröffentlichungsintervallen ausgeht).

Martins Mosfilm-Tipp:

Da Lukas von Wes Anderson schreibt: eine kleine Perle des sowjetischen Films sei Euch hier schließlich noch ans Herz gelegt. Lasst mich aber zunächst von einem mittleren Filmskandal berichten: wir haben beim amerikanischen Skurrilitätskönig nämlich einen Fall dreistesten Plagiierens vorliegen! Andersons Hit "Moonrise Kingdom" (den ihr im kommenden Semester im KiK sehen könnt!) liegt eine kräftige und kaum zu leugnende Inspiritionsquelle zu Grunde: ‘Добро пожаловать, или Посторонним вход воспрещен’ (zu Deutsch etwa "Herzlich Willkommen oder Betreten Verboten!"). Das ist der erste Spielfilm vom oben genannten Elem Klimov (zu dem es gerade die kleine Retrospektive gibt, dieser Film ist leider nicht dabei), ein sowjetischen Regisseur, der den meisten wegen dem verstörenden Kriegs-Schauer-Film "Geh und Sieh!" bekannt sein dürfte. Schlagen einem dort die Schrecken wegen der realistischen Darstellung der Greuel, die aus Kinderperspektive erlebt werden, gründlich auf den Magen, ist Klimovs Erstling eine federleichte satirische Komödie, die in einem Pionierlager voller Kinder spielt. - Und alles was Andersons Filme auszeichnet: skurrile Charaktere, Zentralperspektiven und Zooms, ausgeklügelte Set-Designs, eine Theatervorführung im Film und, und, und; all' das ist auch hier da und darüber hinaus noch viel mehr, wie etliche Seitenhiebe auf den Realsozialismus à la UdSSR etwa. Mit 70 Minuten ist er dann auch noch in Windeseile vorüber, sodass sich niemand rausreden kann, er hätte jetzt keine Zeit mit einer Stoppuhr ausgestattet die von Anderson kopierten Szenen zu zählen und ihn auf Vroni-Plag verpetzen. Das Zentralkomittee des Kino im Kasten spricht also einen Guckbefehl aus! Auf YouTube ist der Film im Original mit englischen Untertiteln vorhanden.