All-Abenteuer à la Arthauskino
Der Independent-Auteur und Cannes-Stammgast James Gray (The Immigrant, The Lost City of Z) dreht mit Brad Pitt seinen ersten Blockbuster. Seinem Stil blieb er jedoch treu und so ist Ad Astra ein langsames, melancholisches Space-Drama geworden. Ein Arthausfilm im Multimillionen-Gewand, welcher es schwer haben wird, ein großes Publikum zu finden. Vor allem, da die Trailer den Film generischer und actionreicher erscheinen lassen, als er letztlich ist. Die Mission von Brad Pitts Major McBride gerät in den Hintergrund, während sich der Film viel Zeit lässt, eben diesen Charakter zu studieren. Seine Psyche wird in (etwas arg) vielen Monologen ergründet, während er sich etappenweise dem Raumschiff seines totgeglaubten Vaters nähert. Der Film behandelt die dysfunktionale Beziehung zu seinem Vater, den er früh an die Raumfahrt verloren hat, seine eigene Unfähigkeit, emotionale Bindungen einzugehen, die daraus resultierende soziale Isolation und die unbegreifliche Einsamkeit von Langstreckenreisen durch das Sonnensystem.
Mit Brad Pitt (dessen Firma "Plan B" den Film produziert hat) besitzt Ad Astra auch einen fähigen Hauptdarsteller, der es schafft, den weitestgehend als One-Man-Show konzipierten Film kompetent zu tragen. Aufgrund von McBrides introvertiertem und emotional unterkühltem Auftreten hatte ich allerdings nicht das Gefühl, dass ihm schauspielerisch viel abverlangt wird, wobei der Eindruck auch durch die, nicht durchweg gelungene Synchronfassung entstanden sein könnte. Auch die Nebencharaktere des Filmes sind mit Tommy Lee Jones, Donald Sutherland und Ruth Negga gut besetzt, wobei mich Jones beeindruckt hat, die letzteren beiden allerdings im Film nur kurze Auftritte haben und beinahe verschwendet wirken.
Ad Astra ist visuell atemberaubend inszeniert, mit einigen der kreativsten Szenen, die ich je in einem Science-Fiction-Film gesehen habe und wunderschönen Bildern von Christopher Nolans Stammkameramann Hoyte van Hoytema. Aber Ad Astra ist ein kalter Film, der es seinen Zuschauern schwer macht, ihn zu mögen. Er malt ein deprimierendes Bild einer Zukunft, in welcher die Menschheit zwar in der Lage ist, ohne größere Schwierigkeiten von Planet zu Planet zu reisen, sich aber ansonsten wenig getan hat. Auf dem Mond finden sich die gleichen Franchises und Konzerne, wie auf der Erde, während sich in Kriegsgebieten Warlords um Ressourcen bekriegen. Wozu all das? Was nützt der Menschheit die Raumfahrt, wenn sie ihre jahrtausendealten Probleme nicht lösen kann? Wartet da draußen eventuell doch kein intelligentes Leben darauf, entdeckt zu werden? Wozu immer weiter reisen, wenn sich irgendwann nur noch Leere und Einsamkeit findet?
Ihr seht, Ad Astra ist ganz klar kein Unterhaltungsfilm. Spaß, Humor und Spannung wird man hier vergebens suchen. Da ist ein Marsianer kurzweiliger, ein Gravity mitreißender und ein Interstellar emotionaler. Ad Astra sucht kein Massenpublikum, sondern versteckt seine Ambitionen nicht und erzählt kompromisslos genau die Geschichte, die er erzählen möchte. Und allein dafür schätze ich den Film, auch wenn er für mich nicht uneingeschränkt funktioniert hat. Gestört haben mich beispielsweise die inflationär eingesetzten Monologe, bei denen man stellenweise beinahe das Gefühl bekommt, in einem Terrence-Malick-Film zu sitzen (ohne aber dessen Erhabenheit), zudem konnte mich die Handlung kaum berühren. Dazu kommt eine durchweg monoton melancholische Grundstimmung, noch verstärkt durch die abwechslungsarme Filmmusik von Max Richter und Lorne Balfe. Gerade von Richters Mitwirken hatte ich mir als Fan von The Leftovers mehr erhofft.
Dennoch freue ich mich dass es den Film gibt. Dass sich ein Regisseur gewagt hat, an einen Science-Fiction-Stoff als Arthaus-Blockbuster heranzugehen. Gerne würde ich mehr solche künstlerisch gewagten und technisch herausragenden Genrefilme sehen. Wer weiß, vielleicht hat ja ein Regisseur vom Kaliber eines Malick, Iñárritu oder P.T. Anderson mal Lust auf Sci-Fi? Oder gar High Fantasy? Hmm... 🤔