Preisverleihungen sind natürlich immer eine heikle Sache. Wer kann schon objektiv beurteilen, wann ein Film, bzw. Filmschaffender, eindeutig der beste des Jahres ist und zweifellos eine Auszeichnung bekommen muss? Insbesondere Filmpreise, welche die Filmindustrie sich selbst verleiht (wie beispielsweise die Oscars) sind eigentlich kaum mehr als ein Schulterklopfen unter Kollegen, bei dem selten die wirklich interessanten Filme Beachtung finden (ein Wunder schon, dass Parasite dieses Jahr so abräumen konnte). Letztere finden sich dann eher bei Preisverleihungen der Kritikergilden oder bei den Indie Spirit Awards.

Wie gesagt: die Wahl, welche Filmschaffenden einen Preis verdient haben, ist höchst subjektiv und ist letztlich nur die Entscheidung eines Gremiums. Daher habe ich mich sehr über die Césars geärgert, welche vergangenen Freitag in Paris verliehen wurden. Die französische Filmindustrie gilt zwar im allgemeinen als sehr exkludierend und konservativ, aber dass Roman Polanski zwei Preise (in den Kategorien Bestes adaptiertes Drehbuch und Beste Regie) gewann, hat mich dennoch negativ überrascht. Der Mann ist talentiert, keine Frage, aber er ist auch verurteilt worden, weil er ein Kind unter Drogen gesetzt und vergewaltigt hat, und seitdem auf der Flucht vor seiner rechtmäßigen Bestrafung! Ein solcher Mensch sollte keine Filme drehen dürfen und schon gar keine Auszeichnungen dafür bekommen! Bei der Verleihung war er natürlich nicht anwesend, damit er nicht Gefahr läuft verhaftet und ausgeliefert zu werden. Auch der Cast seines Filmes Intrige war größtenteils abwesend, niemand war da, um Polanskis Preis entgegen zu nehmen.

Auch im Publikum wurde Polanskis Regie-César schlecht aufgenommen. Applaus gab es kaum, stattdessen verließen einige Filmschaffende wütend die Veranstaltung, allen voran die Schauspielerin und César-Preisträgerin Adèle Haenel (welche bei dieser Verleihung nominiert war für Porträt einer jungen Frau in Flammen). Haenel ist eine wichtige Persönlichkeit der französischen #MeToo-Bewegung und wurde laut eigener Aussage selbst als Jugendliche vom Regisseur Christophe Ruggia sexuell belästigt. Beim Verlassen der César-Verleihung rief Haenel "Bravo la pédophilie!"

Die sprichwörtliche Kirsche auf dem Sahnehäubchen war, dass Claire Denis die Regie-Trophäe präsentierte, die renommierte Regisseurin von hochgelobten Filmen, wie Beau Travail und White Material, welche seit ihrem César für das Beste Erstlingswerk im Jahr 1988 nie wieder auch nur nominiert wurde.

Die anderen vergebenen Preise waren dann deutlich weniger kontrovers. Mit vier Trophäen (u.a. Bester Film und Publikumspreis) war der französische Oscarkandidat Les Misérables der Abräumer des Abends. Eine solide Wahl, aber dennoch enttäuschend, wenn bei derselben Verleihung auch der meisterhafte Porträt einer jungen Frau in Flammen hätte gewinnen können, welcher sich trotz seiner zehn Nominierungen (u.a. auch für die Regisseurin Céline Sciamma, die den Preis definitiv verdient gehabt hätte) nur in der Kategorie Beste Kamera durchsetzen konnte. Wer sich selbst davon überzeugen möchte, wie großartig der Film ist, kann ihn sich am Freitag um 17.15 Uhr im Thalia Kino ansehen.

Keine Chance bei den Césars: Porträt einer jungen Frau in Flammen © Alamode Film

Berlinale: Goldener Bär für iranischen Beitrag There Is No Evil

Deutlich mehr Fingerspitzengefühl scheint die Jury um Jeremy Irons am Samstag bei der Verleihung des Goldenen Bären der Berlinale bewiesen zu haben. Hier ging der Hauptpreis an den iranischen Episodenfilm There Is No Evil, der sich kritisch mit der Todesstrafe auseinandersetzt. Der regimekritische Regisseur Mohammad Rasoulof (The White Meadows) gehört, neben Asghar Farhadi und Jafar Panahi zu den wichtigsten, aktiven Filmemachern aus dem Iran. Bei der Preisverleihung konnte er nicht anwesend sein, da das iranische Regime ihm ein Ausreiseverbot auferlegt hat.

Der Große Preis der Jury ging an das hochgelobte, US-amerikanische Drama Never Rarely Sometimes Always (dt. Kinostart: 11. Juni), welches von einer ungeplanten Teenager-Schwangerschaft handelt, Beste Regie an den renommierten, koreanischen Regisseur und Festival-Stammgast Hong Sang-soo für The Woman Who Ran. Unter den deutschen Beiträgen gewann Christian Petzolds neuer Film Undine einen Preis für Hauptdarstellerin Paula Beer. Der Film startet bereits in wenigen Wochen (am 26. März) und sieht wirklich interessant aus. Petzolds vergangener Film Transit war jedenfalls sehr gelungen und wäre wohl ein interessanterer Oscar-Beitrag gewesen, als von Donnersmarcks Werk ohne Autor. Hier der Trailer zu Undine: