Mit 'nem Bierchen in der Hand am Strand sitzen und sich die Sonne auf den Bauch scheinen lassen? So sieht Sommerurlaub an der Ostsee aus!
Doch der touristische Genusstraum vieler Deutscher birgt auch Schattenseiten für die kleinen touristischen Orte. Der Dokumentarfilmer Christoph Eder wirft einen persönlichen Blick auf die Veränderung seines Heimatortes Göhren auf Rügen seit der Wende und zeigt beispielhaft die Auswirkungen von Massentourismus auf.
Mit seinen ~1300 Einwohner:innen ist Göhren das drittgrößte Ostseebad auf Rügen und aufgrund seiner Naturschönheit seit der Wende großer Tourismusmagnet. Dies hinterlässt auch seine Spuren in der baulichen Entwicklung einer Gemeinde. Anhand von Privataufnahmen aus der Kindheit des Regisseurs erlebt man hautnah den dramatischen Umbruch seit dem Niedergang der DDR. Nach der Wende ist der stille Hauptakteur hinter vielen Bauprojekten der westdeutsche Großinvestor Wilfried Horst. Der nordrhein-westfälische Multimillionär hat Anfang der 90er Göhren entdeckt und in den letzten 30 Jahren wie kein Zweiter mit seinen Investitionen geprägt. Aus den zahlreichen aufgekauften Grundstücken und Immobilien machte er, mit seinen über 100 Bauanträgen, vor allem Hotels und Ferienwohnungen.
Unterstützung im Gemeinderat für seine Bauvorhaben bekommt er seit 25 Jahren durch wohlgesonnene Lokalpolitiker, welche spöttisch auch die „Vier von der Stange“ genannt werden. Doch nicht alle Einwohner:innen Göhrens sind mit der Veränderung des Ortes einverstanden.
Als mit dem neuesten Bauprojekt jedoch Ackerland in Bauland umfunktioniert werden soll und damit der letzte unberührte Blick auf die naturbelassene Südküste in Gefahr gerät, regt sich Widerstand im Dorf.
Wie stark sollte eine dreimonatige Urlaubssaison Einfluss auf das Leben der Menschen vor Ort haben? Wie sieht das Verhältnis zwischen einem westdeutschen Großinvestor und einem kleinen ostdeutschen Urlaubsort aus? Wie kann nachhaltiger Tourismus gelingen?
Zusammen mit den Initiator:innen der „Bürger für Göhren“ verfolgen wir einen demokratischen Kampf gegen das Bauvorhaben für mehr Wohnraum und einer nachhaltigen Gemeindeplanung. Der durch die Doku begleitete demokratische Prozess spitzt sich auf eine Gemeindewahl zu, welche sich nicht vor weltpolitischen Wahlspektakeln verstecken muss. Wenn Kandidaten einer Gemeindevertreterwahl Aussagen von Winston Churchill über die Demokratie rezitieren, weiß man dass es um große Dinge im Kleinen geht.
Nach Über Leben in Demmin und Wildes Herz reiht sich der Film in die dokumentarische Bestandsaufnahme von aktuellen Themen Mecklenburg-Vorpommerns ein und bietet damit einen Einblick für Menschen denen der Nordosten Deutschlands sonst nur als Urlaubsort ein Begriff ist.
Durch die luftige Kameraführung kommt sofort das Gefühl von sommerhaften Meeresbrisen auf. Und die malerischen Landschaften, welche auch schon Caspar David Friedrich zum Malen inspirierten, lassen einen regelrecht schwelgen. Gepaart mit den Zwischentönen der Dorfbewohner:innen über die aktuelle Situation verleiht es dem Ganzen den nötigen authentischen Charme. Die Portraits der Kandidat:innen bieten herrliche Szenen über die zwischenmenschliche Seiten eines kommunalpolitischen Wahlkampfes. Auch wenn der Film durch den persönlichen Bezugs des Autors gefärbt ist, schafft er es, beide politischen Seiten würdevoll einzufangen. Trotz der Darstellung von kleinsten demokratischen Prozessen verliert der Film nie den Überblick für das große Ganze. Die Doku schafft es sogar, Interesse an lokalpolitischen Details wie dem Lückenschlussprinzip des Baurechts und dem Hebesatz der Gewerbesteuer zu wecken!
Menschen die in der DDR sozialisiert worden sind, ist auch 30 Jahren nach der Wende noch anzumerken, dass sie mit den demokratischen Prinzipien fremdeln.
Der Film „Wem gehört mein Dorf?“ dokumentiert ein repräsentatives Lehrstück für den kollektiven Demokratie-Lern-Prozess in Ostdeutschland. Wer sich selbst ein Bild von der Situation in Göhren machen möchte, dem sei ans Herz gelegt, diesen Film im Kino anzusehen.
„Wem gehört mein Dorf?“ startet am 12. August 2021 in den deutschen Kinos.