Warner tut sich wirklich schwer mit dem DC-Comicuniversum. Während die Marvel Studios ihr "Cinematic Universe" seit nunmehr elf Jahren Film für Film, Charakter für Charakter langsam aufgebaut haben, versuchte Warner im Eiltempo nachzuziehen. Schließlich gilt DC (ursprünglich Detective Comics) mit ikonischen Figuren wie Superman und Batman als Primus unter den Comicverlagen.

Die Helden des DC-Kosmos, allen voran Superman, Wonder Woman und Batman ©Warner Bros.

Startschuss für das DC Extended Universe (DCEU) sollte im Jahr 2013 Man of Steel werden, ein durchaus vielversprechendes Projekt. Schließlich hatte Regisseur Snyder mit Watchmen (demnächst auch bei uns im KiK!) bereits unter Beweis gestellt, dass er optisch herausragendes Superhelden-Kino beherrscht und auch die Tatsache, dass das Drehbuch von David S. Goyer und Blockbuster-Genie Christopher Nolan stammte, welche bereits bei der Dark-Knight-Trilogie zusammengearbeitet hatten, stimmte zuversichtlich. Für viele konnte Man of Steel die Erwartungen jedoch nicht erfüllen. Denn herausgekommen ist ein düsteres, anstrengend erzähltes Bombast-Monstrum, aufgeladen mit plumper Heilands-Symbolik. Audiovisuell zweifellos ein starker Film, aber nicht nur erzählerisch durchwachsen, sondern auch stilistisch völlig unpassend zum deutlich positiver angelegten Charakter des Superman. Mit Batman v Superman: Dawn of Justice drehte Snyder sein Magnum Opus des Superheldenfilms, ein theatralisches Epos eines Heldenzwists, selbst im 183-minütigen Ultimate Cut noch inkohärent und verworren, außerdem wieder dunkel, düster und ohne jeden Unterhaltungswert.

Das Aufeinandertreffen zweier ikonischer Charaktere, so dröge erzählt wie möglich ©Warner Bros.

Nachdem 2016 auch Suicide Squad bei den meisten Kritikern durchgefallen war, hatten viele Filmfans das DCEU schon abgeschrieben. Im Vergleich zu den erfolgreichen Marvel-Filmen fehlte es einfach an Kreativität, Leichtigkeit und Herzblut. All diese Dinge lieferte Patty Jenkins (bekannt für Monster und The Killing) mit Wonder Woman. Nicht nur, dass bisher noch nie eine Frau Regie bei einer hoch budgetierten Comic-Verfilmung geführt hatte, Jenkins brachte mit ihrem Film, einer flott erzählten Abenteuergeschichte im Weltkriegssetting, auch frischen Wind in die stark maskulin geprägte Comicwelt eines Zack Snyder. Wonder Woman war eine angenehme Überraschung, nicht zuletzt dank einer charismatischen Gal Gadot in der Titelrolle. Zudem stellte die positive, inspirierende Darstellung der Superheldin eine deutliche Abkehr von den bisherigen Protagonisten des DC-Filmuniversums dar.

Unterhaltsames Abenteuerkino: Wonder Woman mit Gal Gadot und Chris Pine ©Warner Bros.

Ab hier war ein deutlicher Wandel im DCEU zu spüren. Aufgrund des enormen Erfolges von Wonder Woman begann man, sich von der erzwungenen Düsterkeit der Snyder-Filme zu entfernen, zugunsten einer humorvolleren Ausrichtung. Ein Ensemblefilm à la The Avengers musste her. Doch ist es wirklich eine gute Idee, so einen Film zu produzieren, wenn die zusammengeführten Helden den meisten Kinogängern noch gar kein Begriff sind? Klare Antwort: Nein! Die Avengers wurden über mehrere Jahre hinweg in ihren eigenen Solo-Filmen eingeführt, sodass deren Zusammentreffen einen immensen Hype generierte und der Film schließlich einer der erfolgreichsten Kinofilme aller Zeiten wurde. Justice League hingegen wurde zum kommerziellen Flop, nicht nur aufgrund hoher Produktionskosten und weil einige der Helden des Teams (z.B. Cyborg und Jason Momoas Aquaman) bisher noch nicht eingeführt waren, sondern auch weil der Film qualitativ nicht das erwartete Niveau erreichen konnte. CGI-Overkill, eine schwache Story und tonale Inkonsistenzen zwischen düsterer Snyder-Optik und dem flotten Humor eines Joss Whedon (der nach Snyders Ausstieg Nachdrehs und Postproduktion übernahm) sorgten bei Kritikern wieder für verhaltenere Reaktionen.

Aber immerhin setzte jener Film einen neuen Publikumsliebling auf die Landkarte: Aquaman. Man mag es kaum glauben, aber der Nerd unter den DC-Helden, der König von Atlantis, ein Hänfling in Fischschuppen, der mit Meeresgetier schnacken kann, wurde dank Jason Momoas Surfer-Dude-Interpretation zum absoluten Sympathieträger. Auch dessen Solo-Abenteuer Aquaman von vergangenem Jahr machte echt Laune. Inhaltlich zwar eher Hochglanztrash, aber verdammt unterhaltsam und visuell enorm imposant. Nun folgt mit Shazam! ein grundlegend anderer Film, viel kleiner angelegt als Aquamans brachiale Unterwasserschlachten. Ein sympathischer Oldschool-Jugendfilm über einen Außenseiter, der plötzlich zum Superhelden wird. Ist DC hier endlich wieder ein Glücksgriff gelungen, der das DCEU in die richtigen Bahnen lenkt? Jein.

Shazam! kann man durchaus als weiteren Schritt in die richtige Richtung bezeichnen. Der Film ist unterhaltsam, kurzweilig und wohl der erste Beitrag zum DCEU, der sich von Anfang bis Ende konsistent anfühlt. Auch in Punkto Handlung präsentiert sich Shazam! kreativer als bisherige Vorstöße in den DC-Kosmos, da hier erstmal das Heranwachsen in einer von Superhelden bevölkerten Welt thematisiert wird.

Der Film handelt vom Teenager Billy Batson (Asher Angel), welcher als Kind von seiner leiblichen Mutter getrennt wurde und seitdem regelmäßig von seinen Pflegefamilien davonläuft, um nach ihr zu suchen. Nachdem er Polizisten überlistete, um mit dem Computer in deren Polizeiauto nach seiner Mutter zu suchen, wird er verhaftet und von den Vasquez' adoptiert, welche sich in ihrem Haus in Philadelphia bereits um fünf weitere Pflegekinder kümmern. Billy freundet sich mit seinem Zimmergenossen, dem gelähmten Freddie Freeman (Jack Dylan Grazer aus It) an und als er eines Tages auf der Flucht vor tyrannischen Mitschülern ist, vor denen er Freddie beschützt hat, wird er aus der U-Bahn ins Reich des greisen Zauberers Shazam (Djimon Hounsou) teleportiert. Dieser ist als letztes Mitglied des Zaubererrats auf der Suche nach einem Champion reinen Herzens, um diesem seine Zauberkräfte zu übertragen, insbesondere da der finstere Dr. Sivana (Mark Strong) die Personifizierungen der sieben Todsünden, welche Shazam jahrhundertelang bewachte, befreit hat. Billy Batson berührt den Stab des Zauberers, sagt das Wort "Shazam!" und findet sich im trainierten Körper eines Erwachsenen (Zachary Levi) wieder. Zurück in Philadelphia muss er zunächst zusammen mit dem Comic-Experten Freddie ergründen, welche Superkräfte er eigentlich genau hat.

Shazam: Ein Kind im Körper eines Erwachsenen ©Warner Bros.

Gerade dieser Abschnitt des Filmes macht auch zunächst viel Spaß. Shazam! ist ein Film für alle Jugendlichen und Junggebliebenen, welche sich selbst immer wünschten, Superkräfte zu haben. Wie Billy Batson seine Fähigkeiten zunächst hauptsächlich dazu einsetzt, als Erwachsener Bier einzukaufen oder Geld durch Demonstrationen zu verdienen, mag zwar etwas frustrieren, passt aber perfekt zu dessen Charakter. Trotz seines älteren Körpers ist Billy im Inneren eben immer noch ein fünfzehnjähriger Junge. Umso mehr freut man sich als Zuschauer, wenn Billy schließlich im weiteren Verlauf des Filmes lernt, seine Kräfte für gute Zwecke einzusetzen und er tatsächlich (auch durch die Hilfe seiner Adoptivgeschwister) zum Superhelden wird. Es ist schön, die Thematik von Pflegefamilien mal im Kontext eines großen Blockbusters präsentiert zu sehen und besonders die jugendlichen Protagonisten Billy und Freddie machen Laune, auch wegen der gut gecasteten Jungdarsteller. Zudem funktioniert der Humor des Films über weite Strecken gut, ebenso wie zahlreiche kleine Anspielungen auf andere Helden desselben Universums, wie Superman oder Batman.

Dennoch hat Shazam! für mich als Gesamtwerk leider nur bedingt funktioniert. Das liegt insbesondere an der Handlung um den völlig klischeehaften Bösewicht Dr. Sivana. Ja, dank einer Rückblende zu Beginn des Filmes versteht man seine Motivation, aber während bei den Kollegen der Marvel Studios in letzter Zeit vielmehr auf ambivalentere Schurken mit durchaus nachvollziehbaren Standpunkten (z.B. Vulture, Killmonger oder Thanos) gesetzt wird, dienen hier wieder Rache und Größenwahn als alleinige Triebfedern des Antagonisten. Das ist schade, da Mark Strong ein fähiger Schauspieler ist und durchaus mehr könnte, als finster dreinblicken. Zudem sind die Todsünden, die eigentlichen Oberschurken des Filmes, unglaublich unansehnliche CGI-Geschöpfe, denen man in keinem Moment abkauft, dass sie in der selben Welt existieren wie die restlichen Figuren des Filmes.

Kein spannender Antagonist: Der finstere Dr. Sivana ©Warner Bros.

Klar, man kann nicht erwarten, dass ein Film, der nur etwa die Hälfte des Budgets eines Aquaman zur Verfügung hatte, dasselbe Niveau in Sachen Spezialeffekten erreicht. Dennoch war ich enttäuscht, wie wenig ansprechend und kreativ dieser Film inszeniert wurde. Kamera und Szenenbild sorgen für eine durchgängig graue Farbpalette, welche kaum zum knallbunt-albernen Tonfall passt, den das Drehbuch des Öfteren anschlägt und auch die Actionszenen vermögen es nicht, neue Impulse zu setzen. Dass auch Comicfilme mit niedrigerem Budget bildstark inszeniert sein können, demonstrierte James Mangolds Logan eindrucksvoll. Regisseur David F. Sandberg schafft es hingegen mit Shazam! leider kaum, eine eigene visuelle Handschrift auf die Leinwand zu bringen, auch wenn man seine Herkunft im Horrorkino (er führte zuvor Regie bei Lights Out und Annabelle: Creation) in ein paar, für einen Familienblockbuster doch überraschend deftigen Szenen zu spüren bekommt. Gerade gegenüber dem Actionspektakel Wonder Woman mit dessen stilvoller 1910er-Jahre-Ästhetik oder den prachtvollen Unterwasserwelten von Aquaman wirkt die Bildsprache von Shazam! wenig kreativ. Auch die Filmmusik von Benjamin Wallfisch, der bereits für Sandbergs letzte Filme komponiert und vor allem bei Blade Runner 2049 und It hervorragende Arbeit geleistet hatte, blieb mir leider kaum in Erinnerung, anders als Rupert Gregson-Williams' epische Leitmotive für Wonder Woman oder Aquaman.

Ist also Shazam! eine Steigerung für das DC-Universum? In gewisser Weise schon, da es sich um einen Film handelt, der sich wie aus einem Guss anfühlt, anders als der Komplett-Reinfall Suicide Squad, Wonder Woman, dessen Finale deutlich abbaut oder Aquaman, der im holprigen ersten Akt einige Startschwierigkeiten hat. Zudem kann man durchaus seinen Spaß mit dem flotten Humor haben und Zachary Levi spielt das Kind im Erwachsenenkörper hinreißend komisch. Für einen guten Film hat das bei mir leider nicht gereicht. Shazam! ist sowohl in der Story, als auch in der Inszenierung weder kreativ noch überraschend und mit einer Laufzeit von 132 Minuten auch deutlich zu lang. Besonders die ausgedehnte finale Actionszene gegen die Todsünden ist nicht nur unübersichtlich, sondern auch schlichtweg langweilig.

Unterhaltsames Superheldenkino haben die Marvel Studios zu einer Erfolgsformel perfektioniert. Obwohl mich diese Marvel-Formel mittlerweile auch etwas anödet, muss ich einfach zugeben, dass DC Films noch eine Weile an ihren Filmen feilen werden müssen, um ein ähnliches Niveau hochkarätiger Blockbusterunterhaltung zu erreichen. Wenigstens scheinen die Tage pseudo-anspruchsvoller Depri-Capeträger vorbei zu sein.