TW: Suizid, Sucht, Krankheit
Männer, wir müssen reden!
November ist nicht nur der Monat der Herbststürme und grauen Tage, es ist auch der Monat der Schnauzbärte - Es ist Movember.
Begonnen 2003 als australische Fundraising-Kampagne, bei der sich Männer über den November einen Schnurrbart (= Moustache, kurz: Mo) wachsen lassen um Spenden zugunsten der Erforschung und Vorbeugung von Prostatakrebs und anderer Gesundheitsprobleme von Männern zu sammeln, hat sich der November mittlerweile weltweit als Men’s Health Awareness Month etabliert.
Doch warum ist es überhaupt nötig gesondert auf die Männergesundheit aufmerksam zu machen?
Weil es die meisten Männer selbst eben nicht machen.
Das antiquierte Rollenbild vom „starken Geschlecht“ verhindert, dass Männer über ihre gesundheitlichen und psychischen Probleme reden. Mit gravierenenden Folgen:
- Männer haben eine 35% höhere Wahrscheinlichkeit an Krebs zu sterben, aber nur 40% nutzen Krebsvorsorgeangebote.
- Männer neigen deutlich häufiger zu Übergewicht.
- Männer sind 3x häufiger alkohol- oder drogenabhängig und stellen 80% der Alkohol- und Drogentoten.
- 4 von 5 Suiziden werden von Männern verübt.
- 3 von 4 vermissten Erwachsenen sind Männer.
Auch Männer haben Schmerzen.
Männer empfinden, fühlen, trauern, zweifeln, frieren, leiden, haben Angst.
Zeit, dass die Gesellschaft das akzeptiert!
Zeit, dass Männer das akzeptieren!
Zeit, dass sich ewas ändert!
Und wir wären nicht das KiK, wenn wir nicht auch für so ein ernstes und wichtiges Thema die passenden Filme für euch hätten:
The Iron Claw (2023)
Sean Durkins ergreifendes Biopic portraitiert den berüchtigten Von Erich-Wrestling-Clan. Ein wahnsinnig starker Cast, u.A. Holt McCallany, Harris Dickinson u. Jeremy Allen White geben alles in- und außerhalb des Ringes, absolutes Glanzlicht und Überraschungskracher ist aber Zac Efron, der mit Kevin Von Erich die Performance seiner Karriere abliefert. Lasst euch am besten ohne Vorwissen auf The Iron Claw ein und haltet Taschentücher bereit. Streambar über WOW.
Lars und die Frauen (2007)
Schon Jahre vor Drive, The Place Beyond The Pines und Barbie (den wir dieses Semester spielen!) zeigte Ryan Reynolds, aus welchem Holz er geschnitzt ist – als Lars, Einwohner einer Kleinstadt im ländlichen Wisconsin. Er verzieht sich gerne in sein buchstäbliches Schneckenhaus. Das ändert sich schlagartig, als er sich verliebt – in „Bianca“, eine Sexpuppe, die er online bestellt hat. Lars hält sie aber für echt und für eine echt tolle Frau. Der Rest der Ortschaft möchte den Eigenbrödler unterstützen – und nimmt an der Fantasie teil. Streamen könnt ihr diese charmante und bewegende Dramedy leider nicht, aber bei so gut wie allen Anbietern kaufen oder leihen.
The Fall (2006)
Lee Pace hat schon als Kuchenbäcker Ned in Pushing Daisies begeistert, aber seine Darstellung eines suizidalen Stuntmans in Tarsems optischischem Knüller The Fall ist bis heute eine seiner feinsten Arbeiten. In einem kalifornischen Krankenhaus der 1920er erzählt Roy Walker der kleinen Alexandria Märchen – und gewinnt so etwas Lebensmut zurück. Nach jahrelanger Eiszeit ist der Film endlich über MUBI streambar.
Good Will Hunting (1997)
Freilich haben wir Gus Van Sants Meisterwerk aus Matt Damons und Ben Afflecks Feder gerade erst im Rahmen unseres Filme-fürs-Leben-Festivals gezeigt. Wer das aber verpasst hat oder einfach nicht genug vom problembehafteten Mathegenie Will und dem Therapeuten der Herzen Sean (der formidable Robin Williams) bekommen kann, kann den Film über Arthaus+ streamen.
50/50 (2011)
Wir bleiben bei einer guten, handfesten Bromance: Diese Dramedy mit Heul-Garantie entspringt dem Köpfchen von Will Reiser, häufiger Collaborateur von unser aller Lieblingskiffer Seth Rogen. Reiser verarbeitet hier seine Krebserkrankung, die im Film von Adam (Joseph Gordon-Levitt) durchlitten wird. Zwischen seinem zerbröckelnden Job, seiner neurotischen Mutter und seiner flatterhaften Freundin ist Adams einziger Fels in der Brandung wohl oder übel sein unreifer bester Kumpel Kyle (Rogen, spielt quasi sich selbst). Ungeheimes Highlight des Films ist Anna Kendrick als Adams Therapeutin, die quasi frisch von der Uni kommt und dezent überfordert ist. Momentan ist der Film leider nur käuflich erwerbbar, aber die Chancen, dass sich das lohnt, stehen besser als 50/50.
Die Kunst des Negativen Denkens (2006)
Geirr ist seit einem Unfall gelähmt, impotent und braucht einen Treppenlift. Und das kotzt ihn an. Und das lässt er auch jeden spüren. Zum Leidwesen seiner Frau Ingvild verbringt er seine Zeit fortan mit Kriegsfilmen, Johnny Cash, Saufen, Kiffen und vor allem Selbstmitleid. In einem letzten Versuch ihn und ihre Ehe zu retten, lädt Ingvild eine Selbsthilfegruppe behinderter Menschen mitsamt vor Optimismus überbordender Therapeutin zu sich nachhause ein. Was aber ein echter Kotzbrocken ist, schafft es auch, diese in oberflächlichem Optimismus badende, sich in Selbstkonditionierungsphrasen verlierende Gruppe in kürzester Zeit zu sprengen, bis bei allen die Nerven blank liegen - aber zugleich auch endlich mal alle Gefühle ehrlich auf den Tisch kommen. Diese bitterböse, schwarzhumorige norwegische Feel-Bad-Komödie ist auf Netflix streambar.
Knockin' on Heavens Door (1997)
Was seichtes gefällig? Martin und Rudi werden sterben und das eher früher als später - der eine mit einem tennisballgroßen Tumor im Kopf, der andere mit Knochenkrebs im Endstadium. Zwei junge Männer, die unterschiedlicher nicht sein könnten, warten in der Tristesse eines Hospizzimmers auf den Tod. Bis eine Flasche Tequila ins Spiel kommt und sie sturzbetrunken beschließen noch ein (erstes und) letztes Mal das Meer zu sehen. Gesagt - getan - ein Auto geklaut und ab Richtung Küste. Unglücklicherweise gehörte dies jedoch ein paar Gangstern, die dieses, und vorallem den Inhalt des Kofferraumes, wiederhaben wollen. Gejagt von der Polizei und den Ganoven entwickelt sich der Film zu einem erfrischend undeutschen deutschen Road Movie. Leider ist der Film nirgendwo digital abrufbar und man muss sich auch hier die DVD zulegen.
The Whale (2022)
Der Bruch mit Frau und Tochter wegen der Liebe zu einem Mann und der Suizid von ebendiesem haben Charlie gebrochen. Um mit der Trauer und der einhergehenden Depression fertig zu werden, begann er zu essen und hat seitdem nicht mehr damit aufgehört. Von der Welt isoliert, mittlerweile knapp 300 Kilogramm schwer und den Tod vor Augen, wünscht er sich nur noch, sich mit seiner entfremdeten Tochter auszusöhnen. Brendan Frasers Comeback als Charlie brachte ihm zurecht den Oscar für den Besten Hauptdarsteller ein. Frei streamen könnt ihr dieses bewegende Drama leider nicht, aber bei so gut wie allen Anbietern kaufen oder leihen.
All of Us Strangers (2023)
Im Kino-Geheimtipp des Jahres verliebt Andrew Scott sich in Paul Mescal und wird mit den Geistern seiner Vergangenheit konfrontiert. Oder wie unsere Letterboxd-Leitfigur Lukas es zusammenfasst: 😭. Streamen könnt ihr All of Us Strangers auf Disney+.
Aftersun (2022)
Schon wieder Paul Mescal! In Charlotte Wells’ semi-autobiographischem Drama spielt er Calum, der sehr jung Vater von Sophie geworden ist und beim gemeinsamen Türkeiurlaub mit seiner Tochter versucht, eine heitere Fassade aufrecht zu erhalten. Im sommerlichen Paradies bekommt diese jedoch Risse. Wir haben den Film erst im Frühjahr bei uns gezeigt, ihr könnt ihn auf MUBI nach- oder wiederholen.
Moonlight (2016)
Auch dieser Film lief dieses Jahr schon bei uns, das Coming-of.Age-Drama rund um Chiron lohnt sich aber immer und immer wieder – nicht zuletzt wegen der absolut gerechtfertigterweise Oscar-prämierten Performance von Mahershala Ali, nach Robin Williams unser zweitliebster Filmmentor. Auch diesen Film gibt’s auf MUBI (von denen wir nicht gesponsort werden, ehrenwort).
Kramer gegen Kramer (1979)
Um das Vater-Sohn-Motiv vollends auszukosten lohnt sich immer der Blick zurück zu Kramer gegen Kramer. Dustin Hoffman spielt hier den absoluten Karrieremann Ted, der sich abrupt mit seinen Vaterpflichten auseinandersetzen muss, als seine Frau Joanna (Meryl Streep in ihrer Durchbruchrolle) ihn verlässt. Was mit leidiger Überforderung beginnt, entwickelt sich zu einer gefühligen Story mit einer bis heute progressiven Einstellung zu Elternrechten von Männern. Ihr könnt den Film kostenlos in deutscher Synchronisation auf Pluto-Tv streamen.
Ted Lasso (2020 - )
Die Fußballer des Underdog-Vereins Richmond F.C. sind wenig begeistert, als sie ihren neuen Coach vorgesetzt bekommen: Den titulären Ted Lasso (Jason Sudeikis), ein Amerikaner, der weder mit den hiesigen Regeln des Sports noch mit britischen Gepflogenheiten besonders gut vertraut ist. Seine sonnige Can-Do-Attitüde gewinnt aber nicht nur nach und nach die Jungs auf dem Rasen und die Fans, sondern auch die Achtung von Club-Inhaberin Rebecca (Hannah Waddingham). Dieser Publikumshit ist auf Apple+ streambar. Liebling der KiK-Redaktion: Phil Dunphy als arroganter, aber überraschend tiefgründiger Starspieler Jamie Tartt.
Bojack Horseman (2014-2020)
In einer Welt, in der anthropomorphe Wesen und Menschen zusammenleben, war Bojack Horseman (Will Arnett) einst ein gefeierter Sitcom-Star. Mittlerweile ist er aber ganz schön abgehalftert und depressiv, seine schicke Hütte teilt er sich mit Todd (Aaron Paul), der leidlich sozial funktionaler ist als er. Die Zeichentrickserie entwickelte sich zum Überraschungshit der 2010er und gilt mittlerweile als, Pardon, Prachthengst der Repräsentation männlicher mentaler Gesundheit. Auf Netflix kann man diesen Klassiker in der Mache nachholen.
Mr. Robot (2015-2019)
Die Rolle des psychisch angeschlagenen Hackers Elliot verschaffte Rami Malek den großen Durchbruch – zurecht! In insgesamt vier Staffeln steht nicht nur die Ordnung der Welt, sondern auch Elliots Verstand auf dem Spiel. Weder die Machenschaften der anarchistischen Gruppe fsociety, des Mulitkonzerns E Corp oder die psychotischen Halluzinationen unseres Protagonisten sind etwas für schwache Nerven. Ihr könnt die Serie bei allen Streaminganbietern kaufen oder leihen.
Control (2007)
Der Film über Joy Division-Sänger Ian Curtis zieht allein schon wegen des tristen Manchester-Settings runter, aber Sam Riley spielt Curtis berüchtigte epileptische Anfälle, quälende Depression und steigende Verzweiflung, zerrissen zwischen kometenhaftem Ruhm und einer scheiternden Ehe, unnachahmlich. Zweifelsohne eines der besten Biopics überhaupt, beklemmend schön gedreht von Anton Corbijn, der die Band als Fotograf in ihrer kurzen Blütezeit begleitete.
Trost könnt ihr darin finden, dass ihr Control auf dem Amazon Arthaus Channel streamen könnt - und dass Mr. Riley und National Treasure Alexandra Maria Lara sich beim Dreh kennen und lieben gelernt haben und nach wie vor glücklich verheiratet sind.
Possum (2018)
Wer es lieber etwas nischig und schaurig hat, dürfte mit Matthew Holness‘ Regiedebüt bestens bedient werden. Puppenspieler Philip kehrt in sein Elternhaus zurück und muss sich den Traumata seiner Kindheit stellen. Das wird klasse gespielt von Sean Harris, einem der unterbewertetsten Schauspieler auf dem Markt. Achtung: Nix für Arachnophobiker. Leih- oder Kaufbar über Google Play.
Patton Oswalt: Annihilation (2017)
Eher was für die Lachmuskeln? Das liefert uns Patton Oswalt in seinem Special zweifelsohne, auch wenn er mit Material arbeitet, das kaum zum Lachen scheint: 2016 stirbt plötzlich und unvermittelt seine Frau Michelle. Oswalt erzählt mit viel Humor und Herz, wie er diesen Verlust und seine Rolle als nun alleinerziehender Vater der gemeinsamen Tochter bewältigt – und nimmt so der Trauer die Einsamkeit. Ihr könnt Annihilation auf Netflix erwischen.