2020 ist Geschichte. Ein Jahr, bei welchem man gleichzeitig das Gefühl hatte, es würde nie zu Ende gehen und dass die Zeit ereignislos einfach dahin fließt. Zwischen Lockdowns und Lockerungen blieb für die Filmkultur natürlich wenig Platz. Dass es dennoch allerhand Interessantes im (Heim-)Kino anzusehen gab, haben wir in unserem Jahresrückblick ja bereits zusammengefasst, aber wie sieht es eigentlich mit dem noch jungen Jahr 2021 aus? Schlagen sich die Schwierigkeiten der vergangenen Monate auch im Kino nieder oder erwartet uns ein Jahr voller Filmgranaten?

Wer die letzten Wochen nicht komplett unter einem Stein verbracht hat, wird es mitbekommen haben: Der Höhepunkt der Corona-Krise liegt in Deutschland nur wenige Wochen zurück und auch wenn die Infektionszahlen langsam wieder von ihren alarmierenden Höhen hinuntersinken, kann von einer Entwarnung kaum die Rede sein. Nach vollen Kinosälen steht derzeit wohl niemandem der Sinn, Kontaktbeschränkung ist weiterhin das Gebot der Stunde. Doch diese Zeiten werden hoffentlich bald der Vergangenheit angehören. Langsam, aber sicher kommt die Impfkampagne ins Rollen und das mildere Frühlingsklima wird wohl auch seinen Beitrag leisten in der Eindämmung der größten Gesundheitskatastrophe der letzten hundert Jahre.

Ein Kinostart, der bestimmt verschoben wird: The Nest mit Carrie Coon und Jude Law © Ascot Elite/24 Bilder

Während kommende Kinostarts Ende Januar, wie beispielsweise der des vorzüglichen Ehedramas The Nest (dt. Starttermin: 28.01.) mit Carrie Coon und Jude Law, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aufgeschoben werden müssen, und auch Februar und März vermutlich von filmischer Seite abzuschreiben sind, darf man vorsichtig optimistisch bleiben, dass einzelne Kinos in weniger betroffenen Regionen mit etwas Glück (und verantwortungsvollen Mitbürgern) ab Mitte bis Ende März wieder ihre Säle öffnen können. Genug Filme wären jedenfalls bereit! Während Warners Blockbuster-Spektakel Wonder Woman 1984 im "HBO Max"-freien Deutschland immer noch auf seine Erstveröffentlichung wartet, könnten Kinos auch auf Filme zurückgreifen, deren Kinostart im letzten Jahr kurzfristig abgesagt werden musste (z.B. den Berlinale-Sieger Doch das Böse gibt es nicht oder den deutschen Oscar-Beitrag Und morgen die ganze Welt). Außerdem wären da ja auch die Filme, welche derzeit noch einen Kinostart in den kommenden Wochen geplant haben, wie der bereits erwähnte The Nest, die Horror-Komödie Freaky (dt. Starttermin: 4. Februar) oder der satirische Thriller Promising Young Women (dt. Starttermin: 18. Februar), mit einer hochgelobten Carey Mulligan in der Hauptrolle. Auch der nächste Animationsfilm der Disney-Studios, Raya und der letzte Drache wird seinen Starttermin am 4. März mit hoher Sicherheit beibehalten, da ein hybrider Start im Kino und auf dem hauseigenen Streamingdienst Disney+ geplant ist.

Zündstoff für die Kino-Wiedereröffnung oder reiner Streaming-Release? Disneys Raya und der letzte Drache © Walt Disney

Voraussetzung für eine Wiederaufnahme des Spielbetriebes ist natürlich, dass die verantwortlichen Filmverleihe den Kinobetreibern ihre Filme auch tatsächlich zur Buchung anbieten. Ein großes Problem im vergangenen Jahr war, dass die Lockerungen in der Kinobranche, welche in Sachsen im Mai ihren Anfang nahmen, bundesweit kaum koordiniert waren. Günstiger wäre eine einheitliche Wiedereröffnung gewesen, da Neustarts stets bundesweit erfolgen und den Kinos, welche im damals noch schwach betroffenen Osten ihren Spielbetrieb wieder aufnehmen durften, schlichtweg keine neuen Filme zur Verfügung standen. Womöglich werden also die Starttermine der bereits erwähnten Filme noch in die Zukunft umterminiert, auf einen Zeitpunkt, an welchem Kinos großflächig wieder öffnen können. Doch wann wird das der Fall sein? Das steht derzeit noch in den Sternen, doch eine bundesweite Rückkehr der Kinos im April, wenn die Impfkampagne fortgeschritten sein wird und Frühlingstemperaturen hoffentlich ebenso zum Senken des Infektionsrisikos beitragen, wirkt realistisch. Auch wenn nun bereits einige Startterminverschiebungen großer Filmstarts, wie dem neuen Bond Keine Zeit zu sterben, A Quiet Place II, The King's Man oder Last Night in Soho in die Herbstmonate bekannt gegeben wurden, gibt es genügend Filme, für welche sich eine Rückkehr in die Lichtspieltheater lohnen würde. Im Folgenden möchte ich auf fünf Filme näher eingehen, auf welche ich mich in diesem Jahr besonders freue.

Minari (8. April)

Koreanische Wurzeln: Offizieller Trailer zum Oscar-Anwärter Minari © Prokino/Studiocanal

Auch wenn im letzten Jahr im Großen und Ganzen etwas weniger herausragende Filme erschienen sind, als in normalen Jahren, so erblickten doch genügend Kinoproduktionen das Licht der Welt (bzw. des Projektors), um eine klassische "awards season" durchzuführen. Während die großen, amerikanischen Filmpreise, wie die Golden Globes und die Oscars in diesem Jahr um jeweils ca. 2 Monate nach hinten verschoben wurden und damit eine größere Auswahl an Filmen kandidieren kann, fanden bereits einige Preisverleihungen lokaler Kritikerverbände (wie z.B. die Los Angeles Film Critics Association Awards) statt.

Ein Film, welcher bei solchen Verleihungen mehrfach Erwähnung fand, ist Minari von Lee Isaac Chung, welcher von einer koreanischen Familie handelt, welche versucht, sich im Oklahoma der 1980er-Jahre eine neue Existenz aufzubauen. Dem Trailer und Kritiken zufolge, handelt es sich bei Minari um ein inspirierendes und hochemotionales Familienporträt mit einem brillant strukturiertem Drehbuch, bewegender Filmmusik von Emile Mosseri (dessen Kompositionen mich schon bei The Last Black Man in San Francisco begeistert hatten) und starken Darstellern. Insbesondere Steven Yeun (The Walking Dead, Burning) und Youn Yuh-jung (eine bekannte koreanische Fernsehdarstellerin) sollen meisterhafte Leistungen abgeben und gelten als Garanten auf eine Oscar-Nominierung. Von allen Filmen, die bereits außerhalb von Deutschland veröffentlicht wurden (Minari hatte seine Premiere vor über einem Jahr auf dem Sundance Festival), hier aber noch auf ihren Kinostart warten, gehört Minari zu denen mit dem positivsten Kritikerecho. Ich freue mich sehr, insbesondere als Freund von Coming-of-Age und koreanischem Kino.

Der Titel des Filmes bezeichnet übrigens eine Art Wasserfenchel, auch als "koreanische Petersilie" bekannt, welche als widerstandsfähig gilt und an vielen Orten Wurzeln schlagen kann. Ein raffiniert erdachter, bedeutungsvoller Titel.

Nomadland (8. April)

"See you down the Road": Offizieller Trailer zum Oscar-Favoriten Nomadland © Walt Disney

Ein weiterer Film, welcher bei den amerikanischen Kritikern für Stürme der Begeisterung sorgen konnte, ist Nomadland. Laut dem Filmpreis-Aggregator von Metacritic hat dieser Film in den Kategorien Bester Film, Regie, Hauptdarstellerin, Drehbuch und Kamera bisher mit Abstand die meisten Preise abgeräumt. Auch in den einschlägigen Oscar-Prognosen steht der Film in einigen Kategorien weit oben und gilt aktuell auch als heißester Kandidat auf den Hauptpreis als Bester Film des Jahres 2020. Falls die Regisseurin Chloé Zhao ausgezeichnet werden würde, wäre sie in der Geschichte der Oscars erst die zweite Frau und die erste Asiatin, welche eine solche Auszeichnung erhält!

Der Film handelt von Fern (Frances McDormand), einer Frau mittleren Alters, welche in der Weltfinanzkrise alles verloren hat und fortan als moderne Nomadin in einem Wohnwagen durch den Westen der USA zieht. Wie Zhaos Vorgängerfilm The Rider (ebenfalls sehr zu empfehlen!) handelt es sich bei Nomadland wieder um eine Mischung aus einer fiktiven Handlung und echten Schicksalen. Auch wenn es sich bei Fern um eine fiktive Figur handelt, sind die van dweller, denen sie auf ihrer Reise begegnet, echte Personen, welche sich im Film selbst spielen. Bei Bob Wells, dem bärtigen Mann, welcher im Trailer zu sehen ist, handelt es sich beispielsweise um eine Ikone der Subkultur, bekannt durch seinen YouTube-Kanal "CheapRVliving".

Auch Nomadland verspricht eine eindrucksvolle Kinoerfahrung. Die malerischen Landschaften der ländlichen USA, atemberaubende Lichtstimmungen, eingefangen von der Kamera von Joshua James Richards (The Rider, God's Own Country), dazu Musik von Ludovico Einaudi und eine Karrierebestleistung der wundervollen Frances McDormand? What's not to like?

The French Dispatch (voraussichtlich Sommer)

Verschrobenes in Frankreich: Offizieller Trailer zu The French Dispatch © Walt Disney

Wes Anderson. Frankreich. Elaborierte Kulissen. Symmetrie. 60er-Jahre. Eine schier endlose Liste namhafter Darsteller. Ein Trailer, welcher den Eindruck eines Best-of-Anderson vermittelt. Muss man noch mehr sagen?

Leider ist derzeit nicht bekannt, wann und in welcher Form The French Dispatch erscheinen wird. Die Cannes-Premiere und sein Kinostart im vergangenen Jahr wurden gestrichen, seitdem hat man von dem Film nichts mehr gehört. Insofern das Cannes-Festival diesen Sommer stattfinden kann, scheint es plausibel, dass Wes' Episodenfilm, dessen Struktur auf den Artikeln der finalen Ausgabe einer fiktiven Zeitung basiert, dort seine Premiere nachholen wird, welche 2020 ausfallen musste. Ich kann es jedenfalls kaum erwarten, wieder in die verschrobene Welt des texanischen Ausnahmeregisseurs einzutauchen, zumal The French Dispatch sein erster Realfilm seit sieben Jahren sein wird. Gedreht wurde der Film übrigens bereits im November 2018, laut IMDb wurde die Postproduktion im März 2019 fertiggestellt. Seitdem wartet der Film auf seine Veröffentlichung. Hoffentlich müssen wir nicht mehr allzu lange warten.

Während The French Dispatch im Veröffentlichungslimbus festhängt, plant Wes Anderson übrigens schon seinen nächsten Spielfilm. Das Untitled Wes Anderson Project soll eine romantische Komödie mit Schauplatz Rom werden, Drehbeginn ist (Stand: September 2020) im März.

Dune (30. September)

Das Sci-Fi-Epos des Jahres: Offizieller Trailer zu Dune © Warner Bros.

Die drei bisher genannten Filme lassen sich eher im Arthaus-Bereich einordnen. Ich vermisse aber auch besonders die großen Bombast-Produktionen. Effektreiche Multimillionen-Blockbuster mit epischen Schauwerten, brachialer Filmmusik und großem Actionspektakel. Dramen und Komödien kann man auch zu Hause schauen und die Seherfahrung wird zwar nicht ganz so eindrucksvoll sein, wie im Kino, kann sich aber (abhängig vom Film) dennoch lohnen. Einen Herr der Ringe oder Interstellar hingegen möchte man das erste Mal auf der Leinwand sehen, nicht auf dem popeligen Heimkino-Bildschirm mit Stereoton. Solche Großproduktionen vermisse ich sehr, schließlich wurden ja letztes Jahr bis auf Tenet alle Blockbuster auf 2021 verschoben.

Der wohl größte Film, welcher dieses Jahr erscheinen wird, ist zweifellos Denis Villeneuves Verfilmung des Sci-Fi-Romanklassikers Dune. Der Frankokanadier hat sich in den letzten Jahren mit Filmen wie Prisoners, Sicario, Arrival und seinem bisherigen Meisterwerk Blade Runner 2049 als eines der größten Regietalente des Genrefilms etabliert und man kann nur immer wieder gespannt sein, wenn ein neuer Film von ihm veröffentlicht wird. Allein audiovisuell wird sein neues Werk garantiert wieder bombastisch gut, mit Musik von Hans Zimmer (welcher aufgrund seiner Arbeit an Dune nicht für Nolans Tenet komponieren konnte) und Bildern von Kameramann Greig Fraser (Lion, Rogue One). Mit seinen bisherigen Filmen hat Villeneuve eindrucksvoll bewiesen, dass er wie aktuell kein zweiter in der Lage ist, ungeheuer atmosphärisches Genrekino auf die Leinwand zu bringen. Und die immersive, greifbare Welt, welche er in Blade Runner 2049 erschaffen hat, lässt mir keinen Zweifel, dass er der perfekte Regisseur dafür ist, Dune fürs Kino zu adaptieren. Der Trailer verspricht zumindest schon gigantische Set-Pieces und bildstarke, epische Unterhaltung. Der Cast aus unzähligen namhaften Darstellern, von Jungtalenten wie Zendaya und Timothée Chalamet über Hollywood-Größen wie Oscar Isaac und Jason Momoa bis hin zu alteingesessenen Ikonen, wie Charlotte Rampling oder Stellan Skarsgård, rundet den positiven Ersteindruck ab.

Luca (30. September)

Sommergefühle: Konzeptzeichnung zu Pixars Luca © Walt Disney

Am selben Tag wie Dune erscheint ein weiterer Film, auf den ich sehr gespannt bin: Luca, der nächste Film von Pixar, dem wohl weltweit namhaftesten Animationsstudio. Einen Trailer gibt es derzeit noch nicht und auch über die Handlung ist bisher noch wenig bekannt: Luca verbringt seine Sommerferien in einem Städtchen an der italienischen Riviera und freundet sich mit Alberto an. Sein neuer Freund hat jedoch ein Geheimnis: Er ist ein Seemonster in Menschengestalt und stammt aus einer verborgenen Unterwasserwelt.

Auch wenn man noch nicht wirklich einschätzen kann, in welche Richtung sich der Film entwickeln wird, freue ich mich sehr auf Luca. Die Pixar-Filme stellen seit jeher die Speerspitze der Computeranimation dar und mit Enrico Casarosa darf nun endlich der Regisseur des wundervollen Kurzfilms La Luna sein Langfilmdebüt inszenieren. Auch das Setting an der italienischen Mittelmeerküste verspricht astreine Sommerstimmung und viel Urlaubsfeeling in einem Jahr, in welchem das allsommerliche Verreisen eventuell noch nicht wieder in altbekannter Art möglich sein wird. Und Filmfreunde werden sich bei Titel und Setting unweigerlich an Call Me By Your Name von Regisseur Luca Guadagnino erinnert fühlen. Ein Zufall?

Abschließend lässt sich sagen, dass 2021 das Potential zum Knaller-Kinojahr hat. Viele hochinteressante Filme, sowohl Arthaus als auch Mainstream, befinden sich derzeit in Postproduktion, allerhand aus dem letzten Jahr sind sogar schon fertiggestellt und warten nur auf ihre Veröffentlichung. Und auch wir vom KiK haben natürlich vor, wieder ein vorzügliches Kinoprogramm auf die Beine zu Stellen, sobald es die Gegebenheiten zulassen. Grundvoraussetzung für all das ist natürlich, dass die Gesundheitskrise unter Kontrolle gebracht wird. Ich drücke dem Kino die Daumen und freue mich schon sehr darauf, wieder regelmäßig in die Lichtspielhäuser pilgern und im bequemen Kinosessel feine Filmkunst konsumieren zu können.