Ich fahre nach Berlin um Pornos zu schauen. Dieser Satz hat mir in den vergangenen Tagen unterschiedliche Reaktionen eingebracht, vom verhaltenen Kichern über "Hast du Nichts zu tun?" bis zu "Super cool!". Der Grund, warum ich das sagen konnte? Ich begleite als Pressevertreter für diesen wundervollen Blog das PornFilmFestival Berlin 2022.

Ich schaue Pornos seit meiner frühen Jugend und habe irgendwann für mich herausgefunden, dass Pornografie (neben der gängigen Verwendung für Masturbation) einen großen Reiz auf mich auswirkt. Dabei geht es für mich zum einen um die Ästhetik, wie man einen menschlichen Körper und den Sexualakt in Szene setzt, aber auch welche Bilder eigentlich Lust kreieren und welche nicht. Zum Anderen bietet Pornografie in meinen Augen einen spannenden Einblick in eines der geschlossensten aber auch wichtigsten Themen der Gesellschaft: Sex. Ohne hier übermäßig ausarten zu wollen, Sex ist wichtig, aber wir reden nicht drüber. Auch Pornografie wird in aller Regel hinter verschlossenen Türen konsumiert und man gibt vielleicht zu, dass man Pornos schaut, aber wehe, man muss sagen welche. Um an diesem Faktum etwas zu ändern gibt es das PornFilmFestival Berlin. Fünf Tage Pornos schauen in Sälen voller Menschen - für mich geht ein kleiner Traum in Erfüllung.

Akt 1: Tickets

Ich verlasse die Universität mit einem gutem Gefühl. Okay ich lasse ein paar Veranstaltungen sausen, aber das dient alles einem höheren Zweck und ist daher völlig in Ordnung. Die Busfahrt nach Berlin zieht sich ein wenig, aber ich komme nur mit etwa 15 min Verspätung an. Schnell Sachen wegbringen und auf nach Kreuzberg, zum Moviemento, dem Kino, wo die meisten der Veranstaltungen stattfinden werden. Als ich vor dem Kino ankomme empfängt mich eine Traube voller Menschen, die vor dem Kino rauchen. Zu diesem Zeitpunkt beginne ich zu realisieren, dass es vielleicht nicht der schlauste Plan war, ohne Tickets erst zehn Minuten vor der Veranstaltung aufzuschlagen. Ich hole mir etwas gestresst meine Akkreditierungsbestätigung ab (samt Bändchen und Beutel) und mache mich auf zum Kartenschalter. Mein Stresslevel steigt rasant an, als ich die Schlange bemerke und erreicht seinen Höhepunkt, als ich realisiere, dass die Veranstaltung, welche ich gerne Besuchen wollte, bereits ausverkauft ist. Das ist Pech, die Sci-Fi Porn Shorts müssen also warten. Ich sammle mich, schnappe mir einen Flyer und beginne nach Optionen zu schauen. Nächste Veranstaltung "The Opposite + Venus in Nykes", keine Ahnung was das ist, aber klingt interessant und es gibt noch Karten. Also los gehts!

Akt 2: Das Gegenteil von Schuhen

Im Kinosaal ist es nicht ganz voll. Ich bin beinahe der Einzige, der alleine gekommen ist, scheinbar ist das hier eher so eine Art Gruppen-Ding. Um mich herum sitzen nur Menschen in meinem Alter, Geschlechtergemischt, Jung und vorallem Hip. Also hipper als ich zumindest. Die alten, weißen Männer bleiben aus. Da ich immer noch nicht weiß, was wir eigentlich schauen, frage ich die Person neben mir und erfahre, dass es sich um zwei Kurzfilme handelt. Dann wird es auch schon dunkel und der Moderator stellt sich vor die Leinwand. Kurz und bündig sagt er etwas zu den Filmen und verabschiedet sich. Das Licht geht ganz aus und die Werbung beginnt. Meine Mundwinkel schnellen nach oben und halten mein Lächeln für die kommenden fünf Minuten fest. Da ist er also: der Porno auf der Leinwand. Es sind Werbespots wie man sie von einschlägigen Pornoseiten kennt, wenn man keinen Adblocker hat und welche mir stets das Gefühl geben, etwas nur bedingt legales zu tun (Streaming galt mal als Grauzone). Nun sind Sie hier auf der Leinwand und ich schaue sie mit vielen Anderen zusammen.

Dann folgen zwei Filme, die ich genau genommen nicht so ganz verstehe. Im ersten Film - The Opposite - beschreibt eine queere Person ihren Weg zu einem Ritual irgendwo in Mittelamerika, welches irgendetwas mit halluzinogenen Fröschen zu tun hat. Im Grunde ist die Geschichte witzig erzählt, erinnert mich aber eher an ein Youtube-Video als einen Kurzfilm und am Ende stellt sich mir die Frage, warum dieser Film im Rahmen des Festivals läuft. Bis auf einen Penis, welcher für etwa drei Sekunden im Bild ist, gibt es nichts, was sich in den Rahmen des Festivals in besonderer weise einzupassen scheint. Auch Sexualtiät spielt keine Rolle beziehungsweise wird nur ganz am Rande thematisiert.

Patty Gone in "The Opposite"

Der zweite Film ist dann schon eher was ich erwartet hatte. Ein Kurzfilm über einen Fußfetischisten, welcher mit seiner Therapeutin durch erotische Träume wandelt. Sehr amateurhaft gemacht lebt der Film von einem gewissen Witz und einem gelungenem Einsatz von Musik, welche den Film gut belebt. Es gibt jedoch ein Problem an der Sache: Ich habe echt keinen Fußfetisch. Wer mal etwas spannendes ausprobieren möchte, dem sei geraten: schau dir einen Fetisch-Porno an, bei dem du den Fetisch nicht teilst. Meine Gefühle rangeln irgentwo zwischen Erstaunen, Belustigung und Langeweile und am Ende kann ich sagen, nett gemacht, aber nicht meins.

Akt 3: Kurzfilme von und über Frauen

Nach einer Kurzen Erholungspause schaffe ich es Dank der Warteliste dann auch noch in ein Programm, welches ich mir auch vorgenommen hatte zu schauen. Ich betrete einen anderen Saal und muss feststellen, dass es wirklich voll ist. Ein Mann winkt und weist auf einen Platz vor sich. Da sich dieser ganz an der Wand befindet dürfen alle Beteiligten einmal aufstehen, aber ich komme an. Der Mann, der mir den Platz gezeigt hat, kommt mir bekannt vor und später wird mir auch wieder klar warum. Das Publikum des Saales besteht fast ausschließlich aus jungen Frauen, die Atmosphäre ist locker und redselig. Kurze Anmoderation und dann geht es auch schon los!

Der erste Film ist ein Musikvideo (WTCH SONG). Gemacht von einer Regisseurin, die schon einige Jahre in der Pornobranche arbeitet. Nach dem Film wird sie interviewt, spricht über ihren Versuch die Fluidität zwischen Tanz und Erotik einzufangen. Ein Erlebnis zu kreieren, welches es schafft durch die Darstellung von Fetisch und Berührung erotische Spannung zu erzeugen und dennoch nicht den Jugendschutz zu gefährden. In meinen Augen sieht man die Ideen dem Film an, aber so richtig mitreißen tut er mich nicht.

Danach folgt der erste klassische Porno, wenn man so will. Der Film heißt "Wash me" und porträtiert eine Frau nach einer Krebserkrankung. Die Szenerie spielt im Badezimmer, wo die Frau durch ihren Mann gewaschen wird und sich die Nähe bis zum Sex erweitert. Der Film schafft es dabei sehr gut, die Anspannung der Frau und daraus resultierend die Spannungen in der Beziehung zu zeigen. Mit dem Voranschreiten des Sexes nimmt diese spürbar ab und aus der Spannung wird Zärtlichkeit. Die letzten Bilder entrücken ein wenig aus der Szenerie in eine Fantasie während des Orgasmuses, was dem Film nochmal einen schönen visuellen Einschlag gibt. Die letzten Worte des Filmes: "Es ist zurück!". Im Anschluss eine kurze Videobotschaft der Regisseuin in welcher sie beschreibt, wie sie versucht hat das Wiedererstarken der Sexualität nach einer solchen Krankheit zu beschreiben. Ein in meinen Augen sehr gelungenes Werk.

Eines der letzten Bilder in "Wash Me"

Daraufhin folgt ein Film, der sich dokumentarisch dem Thema Squirting nähert und sehr durch seine Botschaften zur Body-Positivity hervorsticht. Im vierten Film ändert sich für mich dann die Stimmung im Kino. Der Film zeigt ein Paar während der Pandemie, welches gemeinsam Zuhause festsitzt und durch Anspannung und Fantasie zueinander findet. Die Bilder sind fantasisch, der Sex schön in Szene gesetzt. Was die Situation im Kino ändert, ist die Tatsache, das hinter mir jemand laut anfängt zu reden. Was im ersten Moment nach der Hölle eines jeden Cineasten klingt ist in dem Falle jedoch ein Segen. Der Mann, welcher mir den Platz gezeigt hat und nun am reden ist, ist Jason Steel, der Darsteller des Filmes. Immer wieder erzählt er seiner Begleitung nette Anekdoten aus dem Film und ich habe eine unvergleichliche Kinoerfahrung. Nach dem Film wird er interviewt und berichtet noch für alle anderen über die Schwierigkeiten eines Pornodrehs in kaltem Wasser. Ein schönes Werk mit einmaliger Situation.

Es folgt noch ein humoristischer Film, welcher  mit gelungenem Slapstick und einem guten Auge der Kamera den ganzen Saal zum Lachen bringt. Und danach torkelt eine Bunte Schar von Menschen aus dem Kino. Da die Letzte Veranstaltung des Tages (welche ich noch geschafft hätte) schon ausverkauft war, endet für mich der erste Tag auf dem PornFilmFestival.