Man sollte die Menschen nicht mit Ihren Engsten allein lassen, habe ich gerade gelesen. Recht so! Und damit Ihr nichts anderes totschlagt als die Zeit, gibt es hier wieder ein paar handverlesene Tipps vom quarantänisierten KiK-Team.

Zum Geleit aber zunächst für Euch an Toilettenpapierknappheit leidende Leser:


Tja, unser Kino gerade so:

Haltet aus!

Aber wir zu Hause:

Also los!

Lukas
Musical-Fans, die wissen wollen, welche Filme Damien Chazelle zu seinem Oscar-Abräumer La La Land inspirierten, können sich auf Amazon derzeit Jacques Demys Klassiker Die Regenschirme von Cherbourg in der OmU-Fassung ansehen. Der Film ist zwar nicht im Prime-Angebot enthalten, aber die 3,99 € sollte man ruhig mal investieren, wenn man sich für Filmgeschichte interessiert. Dass der Film laut Damien Chazelle der beste aller Zeiten ist, ist durchaus verständlich.

Schon allein visuell ist Die Regenschirme von Cherbourg eine wahre Wucht. Schöne Kostüme, detailverliebte Kulissen, knallige Farben (gut möglich, dass das der bunteste Film ist, den ich je gesehen habe) und eine elegante, dynamische Kameraführung bestimmen den Stil von Demys Film. Die Parallelen zwischen La La Land und Cherbourg in Sachen Design sind nicht von der Hand zu weisen, aber auch Elemente der Handlung, mit vereitelten Träumen und Ambitionen, Liebe und Herzschmerz, erkennt man wieder. Die Regenschirme von Cherbourg handelt vom Mechaniker Guy und Geneviève, der Tochter einer Regenschirmverkäuferin. Beide sind verliebt ineinander und planen zu heiraten, doch dann wird Guy zum Kriegsdienst nach Algerien eingezogen.

Auch wenn die Musik von Michel Legrand hervorragend ist, musste ich mich erst daran gewöhnen, dass jede einzelne Textzeile des Filmes gesungen wird. Bei den Liedtexten handelt es sich also nicht nur um typische Musical-Lyrik, sondern auch um völlig alltägliche Kommunikation, bloß dass diese musikalisch vorgetragen wird. Auch Tanzeinlagen sucht man hier vergeblich. Das beides wird eventuell Zuschauer irritieren, die ein Musical im Stil von Singing in the Rain erwarten, wer sich aber darauf einlässt, wird mit einem der schönsten Filme der französischen Kinogeschichte belohnt.

Philipp                                                                                                                    
Gestern noch strahlender Sonnenschein und das perfekte Anti-Quarantäne-Wetter, heute bitterkalt und in meinen dörflichen Gefilden schneit es sogar – wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten. Aus gegebenen Umständen wurde nun auch das Internationale Kurzfilm Festival in Dresden verschoben, welch' Schmerz macht sich in meinem von Kurzfilmen durchdrängten Herz breit. Aber zum Glück gibt es ja noch das Internet. Auf der Suche nach weiteren kleinen Meisterwerken bin ich auf einen Artikel des IndieWire gestoßen. In diesem werden euch 15 Kurzfilme von renommierten RegisseurInnen, wie Waititi, Nolan oder Lynch vorgestellt. Von wenigen Minuten bis knapp einer halben Stunde Lauflänge bekommt man einen Einblick in die frühen Werke der KünstlerInnen. Besonders gefallen hat mir der charmante 7:35 de la mañana von Nacho Vigalondo. Der oscarnominierte Kurzfilm zeigt einen scheinbar ganz normalen Café Besuch einer Frau, der jedoch von merkwürdiger Stille der anwesenden Gäste geprägt ist. Wer sich danach immer noch hungrig fühlt, der sollte mal auf meine Short Film Liste auf Letterboxd gehen, dort findet sich ausreichend Material.

A la siete treinta y cinco de la mañana ...

Aber wem das bewegte Bild irgendwann zuwider wird (was ich mir eigentlich nicht vorstellen kann) oder mal eine Abwechslung sucht, für den habe ich eine unbedingte Hörspiel-Empfehlung. Wem der Name Victor Klemperer nichts sagt, der sollte sich die vom Deutschlandfunk produzierte Hörspielreihe über die Tagebücher dieses, als Jude in Nazideutschland lebenden, Dresdners anhören. Eindringlich berichtet Klemperer von seinem Leben in den Jahren ´33 bis ´45. Und wer sich dabei nach frischer Luft sehnt, der kann einen Spaziergang (Allein!) durch Dresden Dölzschen wagen, um auf den Spuren des Professors zu wandeln.

Olli
Für die Trekkies unter euch (und alle die es werden wollen), gibt es hier einen schönen Artikel über die Hintergrundgeschichte des allerersten Star Trek Films, mit dem super kreativen Titel: Star Trek: Der Film. Da kann man sogar noch den echten Kirk und Spock bestaunen!

https://www.golem.de/news/star-trek-der-film-immer-aerger-mit-roddenberry-2003-147518.html

Wer etwas mehr Futter für die Coronazeit braucht, dem sind die alten Star Trek Serien sehr zu empfehlen. Ich hole z.B. gerade Voyager nach und es ist doch erstaunlich, wie anders eine Virusepidemiefolge auf einem fremden Planeten wirkt, wenn man gerade eine live miterlebt...

Achja und falls ihr euch denkt, dass ihr lange von euren Familien & Freunden isoliert seid, gebt euch mal die Prämisse von Voyager:
In der ersten Folge wird die komplette Crew samt des namensgebenden Raumschiffs USS: Voyager in den 70000 Lichtjahre entfernten Delta-Quadranten (für Nicht-Trekkies: das andere Ende der Milchstraße) transportiert. Die Heimreise dauert selbst bei maximaler Warpgeschwindigkeit etwa 70 Jahre (für Nicht-Trekkies: verdammt lange).


Bleibt zu hoffen, dass unsere Quarantänezeit etwas kürzer sein wird.

Martin
Ich mache es mir jetzt immer abends bei Kerzenschein gemütlich und gucke zur antiquierten Lichtstimmung passend einen Stummfilm aus meiner überbordenden Guck-mal-Liste. Gestern war dann Madame DuBarry vom grandiosen Ernst Lubitsch an der Reihe. Viele kennen den Regisseur bestimmt von seinen amerikanischen Komödien wie "To be or not to be" oder "Shop around the corner", die um 1940 entstanden. Als die UFA aber anfang der Zwanziger Jahre Hollywood noch in nichts nachstand, drehte der Berliner in Babelsberg einige richtig große Monumentalfilme, die einem schon gehöriges Staunen darüber abringen, was für Riesenproduktionen damals in Deutschland möglich waren.

Der die DuBarry behandelnde Film gehört zweifelsohne dazu, auch wenn er die zeitlichen Läufe auf Kinogemäße Weise etwas entstellt. Dafür bereichern Riesensets, Massenszenen und einige geschmackvolle Hinrichtungen die ansonsten sehr leichtfüßige Inszenierung der äußerst frei nacherzählten Geschichte um die zweite große Mätresse Ludwigs XV. Pola Negri spielt diese mit so entzückend viel Charme und Sympathie, dass ich mit breitem Grinsen dem Witz und der großen Spielfreude begeistert folgte. Auch Emil Jannings, der sich als erster den Oscar in der Kategorie bester männlicher Darsteller schnappte, ist als Franzosenpotentat dabei.

Wer sich also einmal beim jetzigen Zeitüberschuss in ein etwas verblichenes Kapitel der deutschen Filmgeschichte begeben will, dem sei diese Perle des Unterhaltungsfilms nahe gelegt, ihr werdet nicht enttäuscht!

Am von Phillip weiter oben erwähnten Professorenwohnort kam ich übrigens schon vor ein paar Tagen vorbei. So sei zum Abschluss noch folgender Hinweis gestattet: wenn die Sonne wieder scheint,  macht Euch auf dahin, es lohnt sich! Denn die Dresdner Südhänge teilen sich mit den Nordhängen eine wesentliche Eigenschaft, sie fetzen.

Des Professors ehemalige Wohnstatt im idyllische Dölzschen