Wisst ihr noch, wie ihr als Kind das erste mal im Kino saßt? Ich nicht. Aber ich kann mich an mehrere Kinobesuche in meiner Kindheit wenigstens ein bisschen erinnern und deshalb mit Fug und Recht behaupten, dass es auch damals schon etwas besonderes für mich war. Während der Kinder-Tim aber einfach die große Leinwand und den lauten Ton toll fand und der Jugend-Tim den (sagt was ihr wollt, beim ersten mal war das schon geil) 3D-Effekt, hat der Jetzt-Tim in den letzten Jahren gemerkt, dass Kino für ihn mehr ist als nur das. Kino ist für mich Atmosphäre, von der Architektur des Gebäudes bis zu den Zuschauern, die mit mir im Saal sitzen. Ein Kinobesuch ist immer ein bisschen anders und jedes Kino erzeugt seinen eigenen Charm (besonders das Kino im Kasten, ein totales Muss für jedermann) und um diesen in möglichst vielfältiger Weise zu erfahren, versuche ich wann immer es geht ein neues Kino kennenzulernen.

Das Havnar Bio (www.bio.fo) in Torshavn. [1]

Daher stand schon mit der Entscheidung auf die Färöer Inseln zu fahren fest: Ich gehe ins Kino. Also direkt erstmal im Internet recherchiert, Resultat: es gibt auf den Färöer zwei Kinos, eines davon in Torshavn, der Hauptstadt. Beachtet man mal das auf diesen Inseln insgesamt nur 50.000 Menschen leben, ist das sogar recht gut, denn welche deutsche Kleinstadt mit ähnlicher Einwohnerzahl hat heute noch zwei Kinos? Ich habe mich direkt für das Havnar Bio in Torshavn entschieden, denn dort sollte ich auch die letzten Tage der Reise verbringen. Das Kinoprogramm, so fand ich heraus, entspricht ziemlich genau dem in Deutschland, wenn man die deutschen Filme durch Dänische ersetzt, wobei das noch weniger zu seien scheinen. Spielzeiten für die Filme standen alle brav im Netz, nur der Eintrittspreis war nirgends zu finden (wer ihn findet, kann mich bitte gerne informieren). Da die Färinger aber sehr gerne reden, war bereits auf der Fährfahrt ein Preisrahmen von ca. 100 Dänischen Kronen (DKK) eruiert. Dazu stellte ich zu meiner Erleichterung fest, dass alle Filme im O-Ton gezeigt werden. Die Frage nach der Synchro stellt sich dort nicht, es gibt schlicht keine (mit Ausnahme mancher Kinderfilme).

Um die immer wiederkehrende Debatte im KiK, über synchronisierte Fassungen, aufzuwärmen: Ein Däne hat natürlich gleich die Möglichkeit genutzt seine Verwirrung auszudrücken als er in Deutschland feststellen musste, dass hier alles synchronisiert ist.

Man muss aber dazu sagen, dass es auf den Färöer auch etwas anders mit der Sprache ist. Denn auch wenn sie heute offiziell zu Dänemark gehören (aber nicht zur EU, wie mir die Roaming-Gebühren verrieten) sind die Färinger ein eigenes Volk mit eigener Sprache und selbst Dänisch lernen die meisten wohl erst in der Schule.

Das Stadtwappen von Torshavn. Irgendwie passend... [1]

Lange Rede kurzer Sinn: Es kommt der Tag, an dem ich ins Kino gehe. Marvels Avengers sollen es sein, das Endgame. Man kann von dem Film jetzt halten was man will (und darum soll es hier gar nicht gehen!) aber einen Film mit einem rustikalen Thor als Protagonisten in Torshavn, zu Deutsch "Thors Hafen", zu schauen hat irgendwie einen ganz eigenen Witz, wie ich schmunzelnd bei seinem ersten Auftritt feststelle. An diesem Tag hat der Film zwei Spielzeiten: 17:30 und 21:00 und da ich über den Film nicht nennenswert mehr weiß, als dass er recht lang ist entscheide ich mich für die erste. Also angezogen, Stadtplan in die Hand und losgelaufen. Ich komme an ein für den Ort recht großes Gebäude, das auf mich einen eher geschlossenen Eindruck macht. Es stehen keine Leute vor der Tür und auf der Straße ist auch niemand, dann kommt von irgendwo ein Junge angeschossen und rennt auf eine Tür zu, die ich zunächst dem Nachbarhaus zugeordnet hatte, ich folge einfach. Ich betrete einen Gang, der erschreckend an die Verwaltungsgebäude der Uni erinnert, aber wenigstens sind hier ein paar Leute und eine offene Tür. Ich schaue durch die Tür: Kulturschock. Dahinter befindet sich ein sehr kleiner, sehr sehr bunter und sehr sehr sehr voller Raum. Die plötzliche Anwesenheit dieser vielen, vor allem jungen Leute, überfordert mich etwas und ich stehe erstmal dumm in der Tür. Mein Unterbewusstsein klopft an, weist mich freundlich auf diese Tatsache hin und fix orte ich die Kassenschlange. Erleichtert stelle ich fest, dass die Masse beim Popcorn ansteht. Ein Schild über der Kasse verrät dann auch den Eintrittspreis von 115 DKK, also umgerechnet 16 Euro, natürlich ohne 3D. Das scheint selbst mir ein bisschen teuer, aber das ist halt Skandinavien und Konkurrenz gibt es keine. Dann bin ich auch schon dran und stehe vor einer sichtlich gestressten Verkäuferin. Wäre ich in dem Laden aber auch. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen zu versuchen mit dem Personal in Kontakt zu kommen, aber das lasse ich dann besser bleiben und so beschränkt sich die Konversation auf den Kauf der Karte und die Frage, wo es zum Saal geht. Die Frage scheint sie kurz zu irritieren, was, wie ich im Anschluss feststelle, damit zu tun haben könnte, dass es nur eine andere Tür als die Eingangstür gibt, dahinter nur eine Treppe an deren Ende direkt die eine Tür ist, die zum Saal führt. Aber kann man ja nicht ahnen. Im Saal selbst fällt mir erstmal nur eins auf: es ist ziemlich dunkel. Dann erinnere ich mich, dass ich ja eine Platzkarte habe (ein vom KiK längst überholtes Konzept) und suche meine Reihe. Das ist noch einfach, allerdings kann ich die Platznummern wegen mangelnden Lichtes nicht lesen und erfrage mich daher zu meinem Platz, zur Belustigung der anderen Zuschauer.

... wenn man sich dann einmal diesen Protagonisten vor Augen hält (Das Bild ist nicht aus Endgame) © Marvel Studios

Der Saal hat Charme. Irgendwie erinnert er mich an die etwas älteren kleineren Kinos, mit gut eingesessenen Polstern und einer nicht zu großen, aber leicht erhöht angebrachten Leinwand. Schön, kuschelig und retro. Der Saal ist eher flach, aber ich glaube man kann dennoch von überall gut schauen, nehme ich zumindest an, da sich selbst das Kind hinter meinen 190cm nicht beschwert hat. Ehe ich mich versehe geht auch schon die Werbung los. Ein Handyvertrag, ein Musikfestival, ein Auto - ganz wie Zuhause. Bild und Ton sind zwar nichts Besonderes, aber angenehm und aufgrund des gut gefüllten Raumes entsteht bereits jetzt ein angenehmes Gefühl des gemeinsamen Genusses. Noch ein paar Trailer und los geht der Film. Ich kann nicht sagen ob der Film mich nicht genug packt oder es wirklich auffallend war, aber ich habe immer wieder das Gefühl, dass es sehr unruhig ist im Saal. Lautes Popcornrascheln und ständig geht kurz mal jemand raus und das schon sehr früh im Film. Aber es gab keine Gespräche und niemand hat ständig auf sein Smartphone geschaut. So läuft der Film entspannt weiter, bis der Name der Russo-Brüder den Abspann einläutet. Sofort bricht ein Tumult aus und große Teile des Publikums stürzen auf und drängen zur Tür. Ich stutze, denn zum einen sitzen wir ja immer noch in einem Marvel Film (ich wusste nicht, dass es keine PCS gibt) und zum anderen hat sich tatsächlich eine Traube um die Tür gebildet, sodass sowieso keiner schnell raus kommt. Ich bleibe mit wenigen anderen Sitzen und lasse brav Leute durch. Nach dem ersten Abspann sitze ich dann aber plötzlich ganz allein da und die Verkäuferin fängt an um mich herum aufzuräumen. Also verlasse ich dann auch den Saal und nutze die Möglichkeit mir den Vorraum nochmal anzusehen. Nach der Vorstellung ist natürlich vor der Vorstellung, es ist also schon wieder gut Betrieb. Beim Umsehen stelle ich dann aber fest, warum mir der Raum so bunt vorgekommen ist: Süßigkeiten - oder genauer - Gummibärchen und zwar in allen Formen und Farben, in leuchtenden Boxen zum Selbstabfüllen.

Tim mit seiner Kinokarte. Hurra.

War wahrscheinlich recht subjektiv, aber in diesem Moment hatte ich das Gefühl das größte Sortiment an Gummibärchen zu sehen, dass mir je unter gekommen ist, denn gefühlt war jeder freie Platz an der Wand damit tapeziert. Mein Zahnarzt würde glatt umschulen. Der Anblick lässt mich schmunzeln und so verlasse ich das Kino und gehe hinaus in den kühlen Abend.

EN...

Huiuiui das ist jetzt doch länger geworden als gedacht. Aber wenn du bis hierhin durchgehalten hast hat es dir hoffentlich auch gefallen. Wer mal auf den Färöer Inseln ist, dem kann ich einen Kinobesuch sehr empfehlen, denn es hat einen eigenen Charme an einem Ort, der so weit vom Rest der Welt entfernt scheint, zu sehen, dass wir doch alle die gleichen Filme sehen und über die gleichen Witze lachen. Vielleicht folgen hier bald noch mehr Kinoerlebnisse, jetzt aber erstmal:

ENDE

Internetadressen Havnar Bio:
www.bio.fo
www.facebook.com/HavnarBio/

Bildquellen:
[1] http://visittorshavn.fo/place_show.php?l=en&Id=69
[2] Von Tórshavn Insigna.png: Unbekanntderivative work: Jon C (Diskussion) - Tórshavn Insigna.png, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17878299