Eine prunkvolle Hochzeitsgesellschaft, ein riesiger Festsaal, ein bezauberndes Brautkleid mit dem vermutlich längsten Schleier der Filmgeschichte. Alle gratulieren Uma zu ihrem neuen Glück. Zwangsehen können doch so schön sein! Die davonschwebende Limousine leitet stimmungsvoll in das futuristische Setting ein.
Schnitt…

Schon lange hatte ich beim Einschlafen nicht mehr soviel Vorfreude auf den nächsten Morgen. Meine erste Pressevorführung stand an! Und dann auch noch für einen Film, der Anfang des Jahres auf dem Sundance Filmfestival sein Debüt feierte.

Auf dem Programm: Paradise Hills, eine spanische Fantasy-Teeniedystopie von Alice Waddington, welche zugleich ihr Langspielfilmdebut darstellt. Der Film handelt von der jungen Uma (Emma Roberts), die von ihren Eltern auf das titelgebende Umerziehungsinternat für junge Frauen geschickt wird. Ziel ist es, die aufmüpfige Tochter so zu ihrem Besten zu formen, dass sie an ihre künftige Rolle als Ehegattin perfekt angepasst wird.

Für Leute die Trailer gucken gibt es hier einen:

© 2019 - Samuel Goldwyn Films

…& Action, 2 Monate früher:
Uma wacht plötzlich in einem Raum auf und wird durch eine Sprechanlage im Paradies willkommen geheißen. Irgendwie kann sie sich auch nicht mehr erinnern, wie sie überhaupt hierher gekommen ist. Körperlich gewehrt soll sie sich haben bei der Hinreise. Nur eines ist klar: Sie will weg von hier.
Aus dem Paradies zu fliehen stellt sich allerdings als schwieriger heraus als gedacht. Die Erbauer der Einrichtung platzierten diese passenderweise auf eine mediterrane Insel mitten im Ozean.

Uma and Amarna im Rosengarten © Kinostar Filmverleih

Andere Leidensgenossinnen sind auch schnell kennengelernt. Ihr Zimmer teilt sich Uma mit der dicken Chloe (Danielle Macdonald), die von Ihren Eltern zur Abnehmkur verdonnert wurde und der etwas wortkargen, sozial ausgegrenzten Yu (Awkwafina), leicht erkennbar an einer Kombi aus grün gefärbtem Haar und einem offensichtlich angewachsenen Kopfhörer mit Spitznietenverzierung obendrauf.
Ergänzt wird das Zimmertrio durch Popstar Amarna (Eiza González), der allerdings auf Grund ihrer Prominenz nicht so recht getraut wird.

Unangepasste Zimmergenossin Yu © Kinostar Filmverleih

Paradise Hills hat einiges zu bieten: ein riesiges Anwesen mit hübschen Rosengärten, fantastischem Blick aufs Meer, Neonbetten sowie gutaussehenden männlichen Dienern. Langeweile soll auch nicht aufkommen, schließlich gibt es Gymnastikübungen, kollektive Schminksessions und Freiluftabendessen mit individuell abgestimmten Speiseplänen. Muss sich ja schließlich auch lohnen für die Töchter von High-Society Eltern.

Sichergestellt wird die Behandlung durch die von Milla Jovovich porträtierte omnipräsente Einrichtungsverwalterin, die einfach nur Die Herzogin genannt wird.
Ihre Hauptbeschäftigung ist es auf bedrohliche Art strenge Benimmregeln zu propagieren. Den Rest des Tages verbringt sie damit Rosen von Dornen zu befreien.

Milla Jovovich als Die Herzogin © Kinostar Filmverleih

Abgesehen davon lässt es sich eigentlich ganz gut leben im Paradies.
Uma hat natürlich trotzdem etwas auszusetzen; wie die gewagten Umerziehungsbehandlungen, bei denen sie auf ein Karusselpferd geschnallt an die Decke gefahren wird, um holografische Videoübertragungen ihres doch so tollen zukünftigen Ehemanns zu sehen und ihn nochmal in seiner ganzen Perfektion bestaunen zu dürfen. Immer und immer wieder…
Ohh, und die Schlafmittel im Tee, vor allem in Kombination mit Bediensteten, die einen nachts auf rollbaren Krankenliegen in die Katakomben verschleppen.
Hmm, irgendetwas Seltsames geht doch hier vor…

Doch genug zum Inhalt. Man soll ja schließlich auch noch eine Chance haben sich selbst eine Meinung zum mäßigen Skript bilden zu können.
Fokussieren wir uns lieber auf die schönen Seiten des Films:

Uma im Rosengarten © Kinostar Filmverleih

Zuallererst ein Modeteam, welches sich wirklich austoben durfte. Die Outfits sind bombastisch. Alleine Milla Jovovich darf gefühlt in jeder Szene ein neues ausgefallenes Kleid tragen, eine nette Abwechselung zu ihrem sonst üblichen Dreck-und-Blut-Look à la Resident Evil (was laut eigener Aussage auch ihre Mama sehr erfreut). Außerdem Bedienstete und Insassen, die in hübsche weiße Kostüme gesteckt werden, was seinen ganz eigenen Charme entwickelt.    
Ebenso beeindruckend ist die fantastische modern-gotisch anmutende Kulisse:

Das Skulpturlabyrinth des katalanischen Künstlers Xavier Corberó. © Salva López

Außerdem eine Beleuchtungscrew, die mit einer purpur-grünen Farbgebung das Gebäude in Szene zu setzen weiß. Und das alles für ein Budget von nur 10 Millionen Dollar.
Wunderschön und originell, gerne wäre ich noch länger in dieser Architektur verweilt.

Generell hätte der Film für meinen Geschmack mehr auf Exposition und Charakterentwicklung eingehen können, um dem märchenhaften Setting gerechter zu werden. 95 Minuten Laufzeit sind einfach zu kurz dafür. Die dünn entwickelten, überzeichneten Charaktere mit ihren Instant-Freundschaften wirken irgendwie unstimmig.
Auch die Bedrohlichkeit für die Protagonistinnen will aufgrund des ganzen Barbieflairs nicht so recht aufkommen. Das kleine Setting auf der Insel suggeriert einem eine Art Überwachungsszenerie, welche allerdings nicht wirklich manifestieren will.

Da sich der Film wie eine schlecht umgesetzte Buchvorlage anfühlt, war ich umso überraschter festzustellen, dass die Regisseurin Alice Waddington das Drehbuch selbst verfasst hat. Vom gewählten Stilmittel, einen Teaser von der Welt in zwei Monaten an den Anfang zu setzen, bin ich allerdings eher mäßig begeistert.
Um auch mal aktuelle Popkulturreferenzen einzubauen, schauen wir uns an dieser Stelle einen kleinen thematisch-passenden Rick and Morty Ausschnitt an:

Morty's Drehbuch Kritik © Adult Swim

Auch der meines Erachtens zu offensichtlich geratene Versuch feminisitischer Gesellschaftskritik ist nicht gelungen. Rosen stehen hier als Sinnbild für Frauen und ihre angeblichen Persönlichkeitsmakel zeigen sich als Dornen im Fleisch der Gesellschaft, deren Austrieb vonnöten ist, um ein perfektes Bild entstehen zu lassen.

Fazit:
Leider gelingt es dem Film aufgrund seines Skriptes nicht, sein Potenzial zu entfalten. Alice Waddington bedient sich vieler bekannter Elemente, was an sich nicht schlimm ist, aber gerade zum Ende hin wird einfach viel Unnötiges beigemischt. Allerdings kann ich nicht sagen, dass ich mich während des Films gelangweilt hätte, denn es gibt viel zu bestaunen in der Welt von Alice Waddington.
Mit einem ordentlichen Drehbuch hätte der Film ein fantastisches Regiedebüt werden können, so bleibt es leider nur eine paradiesische Kulissen- & Modeschau.

Paradise Hills läuft seit dem 29. August in den deutschen Kinos.