Das Team des Kino im Kasten war auch in diesem Jahr bei zahlreichen Vorstellungen des INTERNATIONAL SHORT FILM FESTIVAL in Dresden unterwegs. Für mich war es der inzwischen sechste Besuch des Festivals. Und wieder bin ich begeistert, berührt und inspiriert. Von morbiden Animationsfilmen, einer Weltreise in Dresden und Kurzfilm-Energie - ein Nachbericht zum 31. FILMFEST DRESDEN.

Mein Kurzfilm-Herz schlägt immer noch – obwohl das 31. FILMFEST DRESDEN nun schon einige Tage her ist. Mein erstes Filmfest besuchte ich mit 17 Jahren, 2013. Damals ein Geburtstagsgeschenk von meinem Bruder und meinen Eltern, war dieses riesige Ereignis schon sehr aufregend, denn in meiner ländlichen Heimat waren filmische oder kulturelle Veranstaltungen weniger bis nicht vorhanden. Bis heute erinnere ich mich an Kurzfilme von diesem ersten Besuch. Im folgenden Jahr zog es mich wieder in die Dresdner Neustadt, diesmal mit Freunden. Ich war wütend und enttäuscht, als wir nach einem langen Filmfest-Tag im Vorhof der Scheune saßen und ich die einzige war, die ausführliche Diskussionen über die gesehenen Filme führen wollte. Zwei Jahre später hatte ich die Chance, die Filmfest-Filme sehr, sehr ausführlich zu besprechen. 2016 durfte ich Teil der internationalen Jugendjury des 28. FILMFEST DRESDEN sein und eine Woche lang Filme bewerten (für mich ein ähnlicher Gewinn wie der Oscar für DiCaprio). Seitdem versuche ich jedes Jahr so viele Kurzfilme wie möglich zu sehen. Und auch 2019 bin ich begeistert von der Vielfalt und den grandiosen Schätzen, die das Filmfest vom 09. bis zum 14. April präsentiert und mit Goldenen Reitern und Sonderpreisen ausgezeichnet hat.

Teammitglieder des Kino im Kasten beim 31. FILMFEST DRESDEN © Lukas S.

Über 18.000 Besucher*innen, 16 Spielstätten, häufig ausverkaufte Vorstellungen – das Filmfest wird immer beliebter. So konnte beispielsweise das Kino in der Fabrik in diesem Jahr als neue Spielstätte gewonnen werden. Das Zentrum für meinen Festivalbesuch war allerdings die Schauburg. Dort konnten Festivalbesucher*innen von 10 Uhr bis Mitternacht in den weichen Kinosesseln versinken und die nationalen und internationalen Wettbewerbsprogramme genießen. Zugegeben, ohne Pause wäre das auch für mich etwas viel. Zum Glück gab es aber nebenan genügend Möglichkeiten für Zwischen-den-Filmen-Snacks.

Ein voller Kinosaal in der Schauburg - nicht selten beim Filmfest. © Deborah Kunze

Das Filmfest entwickelt sich immer weiter. Im inzwischen fünften Jahr fand das Kurzfilm-Open-Air auf dem Dresdner Neumarkt statt. Durch das kostenlose Angebot haben nun noch mehr Neugierige die Möglichkeit in die Kurzfilm-Welt abzutauchen. Als Weiterentwicklung des Filmfests sehe ich unbedingt auch den in diesem Jahr zum zweiten Mal verliehenen Filmpreis für Geschlechtergerechtigkeit, den der schwedische Dokumentarfilm JUCK von Olivia Kastebring, Julia Gumpert und Ulrika Bandeira erhielt. Sehr beliebt beim Publikum war auch der diesjährige Schwerpunkt Kuba, der einen Blick auf ein sich vielfältig entwickelndes, komplexes Filmschaffen im karibischen Inselstaat eröffnet. Plötzlich sitzen die Zuschauer*innen nicht mehr im Dresdner Kinosaal, sondern im kubanischen Zirkus. Sowieso fühle ich mich beim Besuch des Filmfests nach einer Weile nicht mehr wie in der sächsischen Landeshauptstadt. Bei Filmen aus 38 Ländern und den entsprechenden Filmemacher*innen als Gästen ist das allerdings auch kein Wunder. Von Frankreich in den Iran, von Brasilien über Polen nach Indien, schließlich nach Japan und Kanada – wo sonst kann man in 90 Minuten eine ganze Weltreise erleben?

Still aus JUCK von Olivia Kastebring, Julia Gumpert und Ulrika Bandeira © Filmfest Dresden

Ein persönlicher Programmtipp ist die Vorstellung einzelner Nominierter für den Preis Bester Filmton. Dort konnte ich auch dieses Jahr einige meiner Lieblingsfilme ausmachen. Zum Beispiel den deutschen Kurzspielfilm NACHTSCHICHT von David Dybeck, der mir Hoffnung macht, dass der deutsche Kino-Humor doch noch gerettet werden könnte. Oder den Animationsfilm FIVE STEPS TO THE RIGHT von Äggie Pak-Yee Lee aus Estland. Diese erzählte in einem Interview, dass sie zuerst gar nicht zufrieden mit dem Sound ihres Films war, den sie mit ihrem iPhone aufgenommen hatte. Die kurzen Gespräche mit den Filmemacher*innen, die bei Festivalanwesenheit nach dem Screening ihres Films auf die Bühne gebeten werden, sind ein Zusatzgeschenk, welches Zuschauer*innen sonst nur selten im Kino erleben.

Still aus FIVE STEPS TO THE RIGHT von Äggie Pak-Yee Lee © Filmfest Dresden

Besonders begeistert haben mich die diesjährig ausgewählten Animationsfilme, die auch von den beiden Jugendjurys des Filmfests ausgezeichnet wurden. Die nationale Jugendjury wählte den Film FUSE von Shadi Adib, die den sadistischen und brutalen Weg zur Hinrichtung einer Maus zeichnet. Eine absurde, gruselige Interpretation des Märchens Der Wolf und die sieben Geißlein präsentiert der japanische Regisseur Tomoki Misato mit MY LITTLE GOAT, der dafür von der internationalen Jugendjury ausgezeichnet wurde und den ARTE Kurzfilmpreis gewann. In Erinnerung werde ich außerdem AUGENBLICKE von Kiana Naghshineh behalten, die einen schrecklichen Überfall animiert hat, dessen Verlauf ich nur zitternd folgen konnte. Und für solche Gefühle gehe ich schließlich ins Kino!

Still aus MY LITTLE GOAT von Tomoki Misato © Filmfest Dresden

Nach dem FILMFEST DRESDEN gehe ich jedes Jahr mit einer Menge neuer Energie nach Hause. Die Energie ziehe ich aus den kurzen Filmen, den engagierten Menschen und der besonderen Atmosphäre, die plötzlich Dresden erfüllt. Alle, die auch etwas Kurzfilm-Energie brauchen und in den letzten Tagen nicht genügend davon einsammeln konnten, können die Open-Air-Tour des Filmfests verfolgen. Los geht es bei den Filmnächten am Elbufer am 12. Juli 2019. Vom 21. bis zum 26. April 2020 findet dann das 32. FILMFEST DRESDEN statt. Dann können wir uns wieder in einem vielfältigen Kurzfilm-Dschungel verirren. Und anschließend ganz ausführlich über die kurzen Filme diskutieren. Oder sie einfach schweigend genießen, das finde ich inzwischen nämlich auch sehr in Ordnung.

Titelbild © Filmfest Dresden