Liebe Lesenden, die nun diese Zeilen betrachten, dieser Artikel dient einzig und allein dem Zweck den Gefühlen und Empfindungen Platz zu machen, die ein Film bei mir ausgelöst hat und wird dementsprechend ausfallen (wenn auch eher kurz, weil ich Gedanken nur schwer in Worte fassen kann). Erwarte also bitte keine Faktenschlacht oder tiefe Grundlagenrecherche. Wenn du damit leben kannst, dann lies gerne weiter.

Rocketman, das Elton John Musical. Als im Jahr 2018 mit Bohemian Rhapsody der Film über Freddy Mercury (Queen) erschienen ist, war ich sofort von der Idee begeistert und habe die alten Lieder von Queen gehört, die ich aus meiner Kindheit kannte. Der Witz: ich habe den Film bis heute überhaupt nicht gesehen und trotz aller anfänglichen Begeisterung meinerseits und vor allem trotz (oder wegen) der so berauschenden Kritiken hatte ich sehr schnell die Lust auf den Film verloren. Dann kam irgendwann der Trailer zu Rocketman und wieder dachte ich mir: geile Idee und schöner Trailer. Aber es gab diesmal einen wichtigen Unterschied: denn, Schande auf mein Haupt, ich hatte keine Ahnung wer Elton John war oder hatte wirklich bewusst Musik von ihm gehört (nicht mal "Candle in the Wind").

© Paramount

Jetzt sitze ich zu Hause auf meinem Bett, es ist nach Mitternacht und ich höre laut Elton John. Eigentlich könnte hier schon Schluss sein, denn diese Tatsache sagt eigentlich schon das Wichtigste aus. Aber da ich noch Lust habe zu schreiben, gibt's jetzt hier noch mehr zu lesen. Ich muss ehrlich sagen, ich habe keine Ahnung, ob Rocketman ein, im Allgemeinen betrachtet, großartiger Film ist. Für mich war er es heute Abend auf jeden Fall. Denn der Film schafft es, Musik und Geschichte in einen Einklang zu bringen, wie ich es so noch nie erlebt habe. Dabei bleibt der Film bis zum Ende menschlich und nahbar, auch wenn die Person des Elton John im ersten Moment so schillernd und realitätsfern erscheint. Ein Mensch bleibt eben doch ein Mensch, mit all seinen Problemen, seinen Hoffnungen und seinen Narben. Der Film begleitet Elton John durch seine Kindheit, seinen Aufstieg und seinen Fall. Wobei eine Botschaft immer wieder auftaucht, der Grat zwischen Ehrlichkeit und Show ist wirklich verdammt klein. Wenn Elton John, gespielt von Taron Egerton, in den Spiegel sieht und versucht ein Lächeln aufzusetzen, das einfach nicht halten will oder ein gebrochener Mann auf die Bühne geht, um lächelnd vor dem Publikum zu stehen, dann wird diese Botschaft sehr deutlich.

© Paramount

Das Rocketman zwar unterhalten, aber dennoch nicht einfach sein möchte, macht er bereits in der ersten Szene deutlich, wenn ein schillernd kostümierter Elton in eine Therapiegruppe platzt und beginnt seine Süchte aufzuzählen. Dabei schafft es Taron Egerton wahnsinnig gut ein Mienenspiel zu geben, das zwischen Trotz und Trauer liegt, zwischen Arroganz und Selbsthass. Dann führt uns der Film durch eine Kindheit, die sowohl offensichtliche Probleme aufweist als auch welche, die eher unter der Oberfläche schlummern. Und mittendrin ein Junge mit einer Begabung, der doch nie die Anerkennung bekommt, die er sich gerne wünscht. All das begleitet von einer Musik, die erst viel später und mit Texten von einem anderen Menschen geschrieben wurde und dennoch zur Geschichte passt, als wäre sie dafür gemacht. Dann beginnt der Aufstieg Elton Johns und seines Textschreibers Bernie Taupin (Jamie Bell) und den beiden erschließt sich eine Welt, die sie sich vorher nur erträumt haben. Mit viel Liebe in alle Richtungen und vor allem vielen greifbaren Träumen. Für mich stellte dabei die Szene auf der Elton alleine durch eine Party läuft und "Tiny Dancer" singt, während das Bild immer wieder zwischen ihm und Bernie wechselt, der mit einer Frau schläft, einen emotionalen Höhepunkt dar. Vielleicht ergibt sich dieser nur aus der eigenen Erfahrung mit dieser Situation und dem Wissen wie man sich selbst gefühlt hat im Mix aus Einsamkeit und Traurigkeit. Vielleicht war es aber auch die schöne, nein tiefe Verschmelzung von Geschichte und Musik, die mir an dieser Stelle die Augen befeuchtete. All das war für mich so nahbar auch wenn die Welt des Filmes eigentlich so fern zu seien scheint.

Doch diese Welt schnell ihren Glanz und je dunkler es wird, desto schillernder werden die Auftritte des Stars, desto stärker scheinen Sein und Schein sich voneinander zu entfernen. Die Kostüme werden immer bunter und schillernder, doch das Lächeln immer aufgesetzter, denn die Probleme hinter der Maske werden immer größer. Doch keiner, nicht einmal der Protagonist, kann sie sehen. Bis es schließlich zur unvermeidbaren Selbstzerstörung eines Menschen kommt, der doch auch nur so belastbar ist, wie jeder von uns auch. Dabei wird sowohl auf die Macht von Beziehungen, Worten und Drogen hingewiesen, als auch auf die Macht und die Rolle der Musik selbst.

Ein deutsches Sprichwort lautet: Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung. Das an diesem Sprichwort etwas Wahres dran ist, zeigt auch der Film und geht dabei noch weiter. Denn das was dem Sprichwort fehlt ist der Schmerz. Sich selbst die eigenen Fehler und Schwächen einzugestehen ist nicht nur schwer, sondern tut auch sehr weh. Vielleicht hat diesen Schmerz und diese Machtlosigkeit jede*r in seinem Leben mal erlebt, leider reden wir ja nicht oft darüber. Doch Rocketman hat es getan, hat Elton einsehen lassen und gezeigt, wie lang und schmerzhaft dieser Prozess ist. Im Film beginnend beim Selbstmordversuch (begleitet vom Lied "Rocketman"), über die Entschuldigung der Ehefrau gegenüber bis zum Gespräch der Wahrheit mit seinem besten Freund Bernie ("Farewell Yellow Brick Road") kommt die Einsicht nach und nach mit aller Härte. Das zu sehen und nachfühlen zu können hat mir die Tränen in die Augen getrieben und dazu stehe ich hier ganz offen.

Elton John (Taron Egerton) und Bernie Taupin (Jamie Bell) © Paramount

Zum Ende hin wird der Film dann sehr schnell und so erscheint der Auffangprozess etwas einfach gestrickt. Der dramatische Gang zur Therapie (welcher musikalisch wieder das Lied "Farewell Yellow Brick Road" nutzt und so ein beeindruckendes Duett schafft) ist vielleicht dann besser nachvollziehbar, wenn man selbst bereits die Hürden kennt die auf dem Weg zu externer Hilfe liegen. Der letzte Dialog, zwischen Elton und Bernie, schließt den Film in seiner Handlung ab und sorgt für einen schnellen Ausklang. Man soll halt aufhören, wenn es am schönsten ist und besser ein schnelles Ende, als das man es übermäßig hinauszieht. Zu guter Letzt heißt es dann nur noch "I'm still standing" und da wahrscheinlich jeder Mensch in seinem Leben mal eine Krise erlebt hat, die er oder sie letztendlich mit sich selbst ausmachen musste um weitergehen zu können, stellt dieser Titel das wohl bestmögliche emotionale Ende dar.

Abschließend sei gesagt, dass ich nicht weiß, wie wahrheitsgetreu der Film ist; vielleicht weiß das auch niemand mehr wirklich. Aber dass der Film mich berührt hat, mit seinem Charme, seiner Härte, seiner Musik und seiner Ehrlichkeit der Menschlichkeit gegenüber, dass kann ich sicher sagen.

ENDE